Beide Frauen gehen beim selben Arbeitgeber putzen, dennoch wird ihre Arbeit völlig unterschiedlich bezahlt. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) entlohnt laut Tarifvertrag ihre fest angestellten Reinigungskräfte mit knapp zehn Euro die Stunde, Ein-Euro-Jobber erhalten bei ihr nur zwei Euro. Am Samstag entscheidet das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel, ob Ein-Euro-Jobber mehr Geld verlangen können (AZ: B 4 AS 1/10 R).
Im anhängigen Rechtsstreit wurde die 47-jährige Klägerin 2005 von ihrem Jobcenter aufgefordert, sich beim AWO-Kreisverband Karlsruhe-Stadt wegen einer sogenannten Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, also einem Ein-Euro-Job, zu melden. Sie könne dort in der mobilen Altenhilfe, der Waschküche oder auch im Bereich der Pflege und Reinigung eingesetzt werden.
Tatsächlich bekam die Frau einen Ein-Euro-Job als Reinigungskraft. 20 Stunden die Woche sorgte sie sechs Monate lang für eine saubere AWO und erhielt dafür zwei Euro die Stunde. Mit dieser Arbeitsgelegenheit sollte der Arbeitslosen der Zugang zum regulären Arbeitsmarkt erleichtert werden, hieß es. "Faktisch bestand hier aber ein Arbeitsverhältnis, das eigentlich nach Tarif oder zumindest ortsüblich entlohnt werden muss", ist Max Eppelein überzeugt, der die Frau vor Gericht vertritt. Der Jurist des DGB Rechtsschutzes moniert, dass der Ein-Euro-Job bei der AWO nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach.
Ein-Euro-Jobs müssen zusätzlich sein
Denn Ein-Euro-Jobs müssen "zusätzlich" sein, das heißt, mit ihnen dürfen keine regulären sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen ersetzt werden. Die vom Jobcenter angewiesenen Arbeitsgelegenheiten müssen zudem wettbewerbsneutral und im öffentlichen Interesse sein. "Die Frau hat aber genauso geputzt wie eine richtige Putzfrau", sagt Eppelein. Ihr stünden daher bis zu 876 Euro monatlich an Vergütung zu - so wie dies Reinigungskräfte nach Tarif erhalten.
Das Arbeitsgericht Karlsruhe hatte jedoch entschieden, dass der Frau kein Arbeitslohn zusteht. Auch das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hatte 2007 entschieden, dass Ein-Euro-Jobs keine Arbeitsverhältnisse darstellen und daher auch kein Anspruch auf eine Arbeitsvergütung besteht (AZ: 5 AZR 857/06). Begründung: Es gebe hier keinen Arbeitsvertrag, das Verhältnis sei rein "öffentlich-rechtlicher Natur" - denn die Aufforderung, einem Ein-Euro-Job nachzukommen, werde ja mit dem Jobcenter vereinbart.
Am 14. April 2011 hatte der 14. Senat des BSG allerdings festgestellt, dass Ein-Euro-Jobber zwar keinen Anspruch auf Arbeitslohn haben. Sie können aber bei rechtswidrigen Arbeitsgelegenheiten - beispielsweise wenn die Arbeitsgelegenheit andere reguläre Arbeitsverhältnisse verdrängt - einen "öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch" geltend machen. Dieser Anspruch kann sich an den üblichen Tariflohn orientieren. Ob der 4. Senat dieser Auffassung am Samstag folgt, ist noch unklar.
Die Regierung ist nicht mehr von den "Ein-Euro-Jobs" überzeugt
Sicher ist nur, dass auch die Bundesregierung nicht mehr von den "Ein-Euro-Jobs" als Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt überzeugt ist. In Studien kommen Forscher zu dem Ergebnis, dass Ein-Euro-Jobber seltener in einen regulären Job rutschen als Langzeitarbeitslose ohne Ein-Euro-Job. Nach Erkenntnissen des DGB und der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände verzerren Ein-Euro-Jobs den Wettbewerb. "In der Realität arten Ein-Euro-Jobs doch aus", sagt Eppelein. Sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen würden damit nur verdrängt.
Nun will die Bundesregierung handeln. Mit dem Gesetz zur Reform und Straffung der Arbeitsförderung sollen Ein-Euro-Jobs nur noch auf bestimmte Bereiche beschränkt werden. Auch der Zuschuss an die Arbeitgeber, die Ein-Euro-Jobber beschäftigen, soll von maximal 500 Euro auf 150 Euro begrenzt werden.