Herr Hahn, herzlichen Glückwunsch zum "Movieguide Award". Wie stolz macht Sie diese Auszeichnung?
Hahn: Vielen Dank! Ich habe mich über diese Auszeichnung sehr gefreut. Sie macht mich dankbar für die Anerkennung und die Wertschätzung, die auf diese Weise der gesamten evangelischen Medienarbeit entgegengebracht wird. Mir war es in meiner Funktion als Leiter des Referates "Medien und Publizistik" im Kirchenamt der EKD immer wichtig, auch international vernetzt zu sein, die Medienmärkte in anderen Ländern zu kennen, insbesondere in den USA, um Ideen aufzunehmen und Projekte auf ihre Übertragbarkeit zu prüfen. Ich sehe mit dem "Movieguide Award" auch die Arbeit der EKD-Medienfirmen gewürdigt: des Gemeinschaftswerkes der Evangelischen Publizistik, der EIKON und der Matthias-Film.
Der Preis ist nicht dotiert. Folgt das dem Motto: Kirchliche Medienarbeit ist zwar umsonst, aber nicht vergebens?
Hahn: Die Bedeutung einer Auszeichnung ist nicht an ein Preisgeld gebunden. In anderen Kategorien, etwa bei der Förderung von Drehbuchautoren, ist er richtigerweise dotiert. Ich habe als Medien- und Publizistikreferent immer versucht, dem Zynismus nicht zu erliegen, sondern nach Lösungen zu suchen. Dazu braucht man neben guten Argumenten vor allem Geduld. Es bewegt sich oft mehr als man selbst für möglich hält.
Sie haben die Auszeichnung erhalten für Ihr Engagement, der biblischen Botschaft in den Medien Gehör zu verschaffen. Wie tut man das, ohne sich dem Verdacht der Missionierung auszusetzen?
Hahn: Der Auftrag der Kirche besteht darin, Menschen mit der Botschaft der Bibel bekannt zu machen. Der christliche Glaube ist über zwei Jahrtausende hinweg für viele eine Quelle der Kraft und der Inspiration und somit eine Hilfe zum Leben geworden. Er ist es noch und wird es bleiben. Überzeugungen fallen aber nicht einfach vom Himmel, sie entstehen im Gespräch, in der Begegnung. Sie werden geprägt - durch Zeitgenossen, die wir als Vorbilder wahrnehmen, an deren Verhalten ich im Blick auf mein eigenes Leben Maß nehmen kann. Um selbst glauben zu können, muss ich einen eigenen Zugang zu den Texten des Alten und Neuen Testamentes finden. Dies ist schon deshalb wichtig, um den Kulturraum zu verstehen, in dem wir leben. Wer die Bibel nicht kennt, findet sich nicht zurecht.
Die Welt, in der wir leben, nicht sich selbst zu überlassen, sondern sie mit zu gestalten - das ist der Auftrag der Bibel. Insofern können Christinnen und Christen ihre Glaubensüberzeugungen nicht für sich behalten, sondern werden darüber Auskunft geben - hoffentlich taktvoll und mit Respekt vor Menschen, die andere Überzeugungen haben. Ich bin dankbar, dass es in der Kirche heute wieder möglich ist, von Mission zu sprechen - von dem, was mich persönlich prägt, was mir Orientierung gibt und Mut macht. Zu sagen, was einem wichtig ist, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Das erwarte ich auch von anderen, die möglicherweise nicht meine Glaubensüberzeugung teilen.
Bild links: Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing. Foto: epd-bild/Norbert Neetz
Die evangelische Medienarbeit in Deutschland ist ja mit Print, Nachrichtenagentur, Radio- und Fernseharbeit sowie Internet recht breit aufgestellt. Geht sie auch genügend in die Tiefe?
Hahn: Ja, die evangelische Medienarbeit ist nach meinem Eindruck sehr gut aufgestellt. Das Angebot ist so vielfältig, dass jeder und jede etwas finden kann: die eng mit ihrer Kirche Verbundenen, wie auch diejenigen, die sich ihr zugehörig fühlen, ohne ihre Angebote regelmäßig wahrzunehmen. Zunächst einmal ist es wichtig, dass Menschen ihrer Kirche in allen Medien begegnen: als Gegenstand der Berichterstattung. Aber dass sie auch wissen, dass die Kirche eigene Unternehmen hat. Viele Gemeindeglieder kennen oft gar nicht die kirchlichen Medienaktivitäten und wundern sich dann, wenn sie entdecken, wie breit gefächert und inhaltlich tiefgehend diese sind.
Welche Trends sehen Sie zurzeit generell in der kirchlichen Publizistik?
Hahn: Der allgemeine Trend besteht meiner Beobachtung nach darin, auf dem aktuellen technischen Stand zu kommunizieren und das bestehende Angebot noch Zielgruppen genauer zu zuschneiden. Evangelische Publizistik besteht aus zwei Komponenten: aus der absenderorientierten Öffentlichkeitsarbeit und aus dem die Kirche begleitenden Journalismus. Ersteres hat in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen. Die evangelische Kirche hat wirkungsvoll investiert und der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit den erforderlichen Professionalisierungsschub beschert. Letzteres ist von Einsparungen nicht verschont geblieben, bleibt aber auch in Zukunft unverzichtbar, weil es für die Glaubwürdigkeit kirchlicher Medienangebote wichtig ist.
Bei christlichen Medien stehen sich der Verkündigungsauftrag der Kirche und die Notwendigkeit, wirtschaftlich zu handeln, oft genug feindlich gegenüber. Wie lässt sich das lösen?
Hahn: Der Grundkonflikt ist unlösbar. Unabhängig davon, dass auch die Kirche wirtschaftlich handeln muss, kostet die Erfüllung ihres Auftrags Geld. Und zwar in allen Bereichen, Dies gilt auch für ihre Medienarbeit, für die sie auf allen Ebenen bereits viel Geld ausgibt. Mit einer Nachrichtenagentur kann man nicht nur keinen Gewinn erwirtschaften, sondern nicht einmal kostendeckend arbeiten. Dennoch ist dieser Dienst unverzichtbar. Mit ihren Medienaktivitäten leistet die evangelische Kirche einen Beitrag zur Meinungsvielfalt in einer pluralen Gesellschaft. Ihre Medienarbeit ist nicht nur unter dem Aspekt der Verkündigung zu sehen sondern entspricht auch dem Kulturauftrag der Kirche.
Das Preis-Leistungsverhältnis finde ich in der kirchlichen Medienarbeit besonders überzeugend. Denn die Kirche kann nur über die Medien ein Millionenpublikum erreichen. Kaum ein anderes Aufgabenfeld der Kirche lässt es zu, die jeweils erzielte Reichweite so genau zu bestimmen wie bei ihren Medien. Die zur Verfügung stehenden Mittel sind insgesamt begrenzt - und die Auseinandersetzung um die Verteilung der Ressourcen ist längst im Gange. Die Synergien sind nach meinem Eindruck zumeist gehoben. Weitergehende Einsparungen sind in dem föderalen System Kirche, bei dem regionale und bundesweite Anforderungen permanent in einen Ausgleich gebracht werden müssen, kaum möglich. Gemessen an den Anforderungen an die kirchliche Medienarbeit müssten im Grunde mehr Mittel bereit gestellt werden: für inhaltlich professionelle Angebote auf dem technisch neuesten Stand.
Ist kirchliche Medienarbeit in einer zunehmend säkularen Gesellschaft schwieriger geworden?
Hahn: Ja und nein zugleich. Sie ist schwieriger geworden, weil auch andere Institutionen eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit betreiben und die Medien täglich aus einem breit gefächerten Angebot an Themen auswählen können, in dem Kirche lediglich ein Segment neben anderen darstellt. Und sie ist schwieriger geworden, weil es eine gewachsene Vielfalt an Medienplattformen gibt, mit denen nur mithalten kann, wer aktuell und am besten rund um die Uhr aktiv ist. Andererseits: Kirchliche Medienarbeit ist einfacher geworden. Der Medienmarkt ist ein Frischmarkt, der permanent neue Ware verlangt. Darin liegt auch eine Chance - wenn man interessante und gut aufbereitete Themen hat.
Hinzu kommt: Die Kirche ist mit eigenen Medien präsent, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Nutzer Rechnung zu tragen. Nehmen wir zum Beispiel evangelisch.de als Premium-Internetplattform, die evangelische Inhalte im World Wide Web schneller auffindbar macht und mit der im Netz üblichen Geschwindigkeit aktuell ist. Chrismon bietet mit Geschichten, die das Leben schreibt, Menschen eine interessante Lektüre, die auf zeitgemäße Weise Fragen nach dem Woher, Wozu, Wohin aufbereitet finden. Die kirchlichen Wochenzeitungen in den jeweiligen Landeskirchen sind für diese ein nicht verzichtbares identitätsstärkendes Medium. Die Filmentwicklungs- und Produktionsgesellschaft EIKON produziert attraktive Verkündigungsformate für private Sender und "Unter Verdacht"-Krimis mit Senta Berger, die ethisch hochwertig und unterhaltsam zugleich sind. Radio Paradiso behauptet sich als christlicher Hörfunksender in Berlin. Und Bibel TV besteht seit fast zehn Jahren das Experiment, dass Zuschauer durch Spenden ein digitales christliches Fernsehprogramm finanzieren können.
Welche Erfahrungen aus Ihrer Medientätigkeit können Sie für Ihre neue Aufgabe als Akademiedirektor am meisten brauchen?
Hahn: Als Redakteur, Pressesprecher und Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit und Medienpolitik habe ich über die Jahre hinweg viel gelernt und manche Erfahrungen sammeln können, die mir in der Akademiearbeit helfen: Sich für Menschen und Themen zu interessieren, wichtige Fragen zu identifizieren, Übersetzungsarbeit zu leisten an der Nahtstelle von Kirche und Gesellschaft, das kirchliche Profil nicht zu verstecken, sondern selbstbewusst zu vertreten, Netzwerke weiter zu entwickeln.
Die Evangelische Akademie Tutzing wird Medien und Medienpolitik zu einem ihrer Schwerpunkte machen. Was genau ist geplant?
Hahn: Medien sind - ganz allgemein gesprochen - eine gesellschaftspolitisches Thema, das mehr Aufmerksam verlangt. Wir wollen in Veranstaltungen unter anderem die technische Weiterentwicklung ebenso in den Blick nehmen wie das sich weiter ausdifferenzierende inhaltliche Angebot, die Bedingungen, unter den Journalisten arbeiten, medienethische Fragestellungen, den Jugendmedienschutz - und vor allem der Frage nachgehen, wie sich unser Kommunikationsverhalten entwickelt.
Udo Hahn (48), geboren in Lauf bei Nürnberg, wurde nach dem Theologiestudium zum Pfarrer ordiniert und arbeitete danach zunächst als Journalist beim bayerischen "Evangelischen Sonntagsblatt" sowie beim "Rheinischen Merkur" in Bonn. 1999 wurde er als Oberkirchenrat Sprecher der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), 2005 übernahm er darüber hinaus die Leitung des Referats "Medien und Publizistik" der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover. Seit Juni diesen Jahres ist Hahn Direktor der Evangelischen Akademie in Tutzing.