TV-Tipp des Tages: "Tatort: Lohn der Arbeit" (ARD)
Ein Bauunternehmer hängt tot am Kran, und der Kommissar ermittelt auf Krücken: Wer diesmal gut aufpasst, kennt den Mörder schneller als der Ermittler.
25.08.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Lohn der Arbeit", 28. August, 20.15 Uhr im Ersten

Vermutlich gibt es Zuschauer, die die letztjährige Verstärkung für den Wiener Sonderermittler Moritz Eisner mit gemischten Gefühlen verfolgt haben. Aber die von Adele Neuhauser herrlich überkandidelt verkörperte und zudem auch noch alkoholabhängige Kommissarin Bibi Fellner bringt eine erfrischend neue Farbe in die Krimis aus Österreich. In diesem Film hat die unkonventionelle Kollegin jedoch Pause, Eisner ist auf sich allein gestellt und muss sich überdies auf Gehstützen durch den Fall arbeiten, weil sich Harald Krassnitzer kurz vor Beginn der Dreharbeiten einen Sehnenriss zugezogen hatte.

Derlei ist ohnehin nicht hilfreich und diesmal erst recht nicht, da sich die Ermittlungen überwiegend auf Baustellen zutragen: Ein ebenso bekannter wie wegen seines gemeinnützigen Wohnungsbaus beliebter Tiroler Bauunternehmer wird eines morgen tot aufgefunden; er hängt kopfunter an einem Kran. Die Fahndung konzentriert sich rasch auf zwei illegal beschäftigte mazedonische "Gastarbeiter", denn die sind mitsamt ihren Kollegen um den sauer verdienten Lohn gebracht worden. Zuständig für die Schwarzarbeiter war allerdings ein Subunternehmer, der Baulöwe wusste offiziell von nichts. Aber auch seine junge Gattin (Hilde Dalik) hat ein handfestes Motiv, denn als Witwe wähnt sie sich nun sehr zum Missfallen ihres Stiefsohns (Max von Thun) im Besitz des Unternehmens.

"Anstößige Lebensart"?

Ein klassischer Krimistoff also, in dem die Problematik der illegal beschäftigten und wie Sklaven behandelten ausländischen Arbeiter unübersehbar, aber dennoch angenehm beiläufig behandelt wird. An Eisners Seite ermittelt diesmal sein alter Kumpel Pfurtscheller, dessen Darsteller Alexander Mitterer übrigens nur ein Nachnamensvetter des renommierten Tiroler Autors Felix Mitterer ("Die Piefke-Saga") ist. Der wiederum hat bereits diverse "Tatort"-Drehbücher für den ORF verfasst und konfrontiert Eisner auch diesmal wieder mit den Schattenseiten der österreichischen Wohlstandsgesellschaft.

Seinen Reiz bezieht der Krimi allerdings eher aus den familiären Abgründen, die sich hinter der noblen Fassade des Bauunternehmens auftun, denn die schwangere Witwe hat sich erwiesenermaßen einer "anstößigen Lebensart" schuldig gemacht: Der tote Gatte war schon zu Lebzeiten nicht zeugungsfähig. Und ihr Gschpusi ist ausgerechnet jener Subunternehmer, der sich in der Mordnacht ebenso auf der Baustelle rumgetrieben hat wie ein eifriger, aber von höherer Stelle kaltgestellter Mitarbeiter des Finanzamts. Unerwartete Unterstützung erhält Eisner dafür durch einen investigativen Journalisten (George Lenz), doch auch der hatte eine Rechnung mit dem Toten offen.

Gemessen an den letzten ORF-Krimis, die in ihrer Mischung aus Spannung und Humor äußerst kurzweilige Unterhaltung boten, ist "Lohn der Arbeit" (Regie: Erich Hörtnagl) wieder ein Schritt zurück, zumal Pfurtscheller als Kollege, der hier permanent mit seiner dementen Mutter telefonieren muss, weit weniger witziger ist als Bibi Fellner. Und wer anfangs aufpasst, weiß schon früh, wer der Täter ist. Aber Krassnitzer macht mit seinem trockenen Humor vieles wieder wett.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).