Eine frühere Hartz IV-Familie muss keine Leistungen an das Jobcenter zurückzahlen, nachdem die Kinder zum Geburtstag und zu Weihnachten Geld von ihrer Großmutter bekommen haben. Das Jobcenter Leipzig hat die Kürzungsbescheide am Dienstag aufgehoben, nachdem das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel die Behörde auf formelle Fehler in ihren Schriftstücken hingewiesen hatte. Ein auf andere Fälle übertragbares Urteil erging damit nicht. (Az: B 14 AS 74/10 R)
Zwischen November 2006 und Februar 2007 hatte die Großmutter für drei Enkel jeweils 100 Euro zu Weihnachten und an zwei Enkel je 135 Euro zum Geburtstag überwiesen - insgesamt 570 Euro. Da die Mutter der damals 6 bis 16 Jahre alten Kinder zu der Zeit Hartz IV bezog, forderte das Jobcenter von der Familie 510 Euro zurück.
Und genau darin sahen die Bundesrichter das Problem: Das Jobcenter habe nicht genau aufgeführt, welchem Familienmitglied welche Summe abgezogen worden sei. Die Rückzahlung müsse aber einzeln aufgeführt sein. Die BSG-Richter bemängelten zudem, dass das Geld im November und Dezember 2006 sowie Januar 2007 geflossen sei, das Jobcenter aber die Rückzahlung von Hartz IV-Geld für die Monate Dezember 2006 sowie Januar und Februar 2007 angesetzt hatte. "Es gab eine Reihe von formellen Mängeln", konstatierte der Vorsitzende BSG-Richter. Daraufhin nahm das Jobcenter die Bescheide zurück.
"Es gibt kein Urteil, aber die Familie hat gewonnen"
"Es gibt kein Urteil, aber die Familie hat gewonnen", sagte die Anwältin der Familie, Manuela Ehrlich. Der Vertreter des Jobcenters Leipzig, Tobias Kade, betonte, es sei an Formalien gescheitert. "Der Grundsatz der Individualisierung wurde verletzt." Einen erneuten Ritt durch die Instanzen muss die Familie übrigens nicht fürchten. Mit dem Zurücknehmen der Bescheide sei der Fall abgeschlossen, sagte Kade. Dennoch erwarten die Bundesrichter bald ähnliche Fälle - auch wenn seit der Hartz IV-Reform im April Geldgeschenke, die im üblichen Rahmen bleiben, nicht mehr als Einkommen gerechnet werden. "Wir warten nun auf die Geldgeschenke nach dem neuen Gesetz", sagte der Vorsitzende Richter.
Der Fall hatte die Justiz jahrelang beschäftigt. Zunächst hatte das Sozialgericht Leipzig 2008 geurteilt, pro Anlass dürften 50 Euro nicht als Einkommen berücksichtigt werden (Az: S 25 AS 2897/07). 2010 war dem Landessozialgericht (LSG) Chemnitz zufolge das Vorgehen des Amtes dann gesetzeskonform (AZ: L 2 AS 248/09): Die Familie habe nach Erlass des HartzIV-Bescheides Einkommen erzielt. Weil das Geld nach dem Willen der Großmutter zur freien Verfügung stand, habe es den gleichen Zweck wie die Grundsicherung. Dazu zählt übrigens auch der Wunsch, Spielzeug und Kleidung zu kaufen.