Buddeln im Garten: Balsam für die Kinderseele
Wer als Kind die Möglichkeit hat, gemeinsam mit den Eltern im Garten zu werkeln, lernt nicht nur die Magie der Natur kennen, sondern auch Verantwortung. "Selbst-Wirksam-Werden" nennt das der Entwicklungspsychologe Hartmut Kasten. So wie Cordt und Paula Scholz aus Köln. Mitten in der Kölner Innenstadt haben ihre Eltern einen Schrebergarten. Dort dürfen die Geschwister in ihrem eigenen Beet pflanzen, was ihnen gefällt.
22.08.2011
Von Barbara Driessen

Für die Familie Scholz ist ihr Garten ein Ort, in dem die Kinder ganz wild sein dürfen. Hier können sie hopsen, rennen und toben. "Es ist eigentlich nichts verboten außer sinnlos Pflanzen ausreißen", sagt Aline Scholz (37). Die Familie aus Köln hat mitten in der Millionenstadt großen Schrebergarten. Hier müssen die Kinder auch nicht leise oder ordentlich sein: "Anders als zu Hause ist es egal, wenn auf der Terrasse mal eine Ladung Erde landet. Das empfinden wir als einen schönen Ausgleich zu unserem Alltag."

Die Kinder Cordt (4) und Paula (6) haben ein eigenes Kinderbeet mit Erdbeeren, Himbeeren, Erbsen, Sonnenblumen, Lavendel und einer Kartoffelpflanze. Cordt gräbt am liebsten um. Im Gegensatz zu ihrem Bruder steht Paula weniger auf Gartenarbeit, sondern mehr aufs Ernten - und vor allem Verzehren - von Erdbeeren, Himbeeren und Erbsen. "Besonders schön ist es, die Erbsen herauszupuhlen", findet sie.

Der bayerische Entwicklungspsychologe und Familienforscher Hartmut Kasten hält das gemeinsame Gärtnern und und Werkeln in der Natur für äußerst wichtig: "Hier ist ein pädagogischer Zeigefinger von überdimensionaler Größe angebracht", sagt er. "Kinder erleben hier ein ungeheures Stück Selbst-Wirksam-Werden", erläutert er. "Sie pflanzen, übernehmen Verantwortung und sehen, wie etwas daraus wächst." Das sei Balsam für die Kinderseele.

Das Magische und Zauberhafte an der Natur entdecken

Für Kinder sei es faszinierend zu beobachten, dass aus einem winzigen Saatkorn binnen einiger Tage und Wochen Pflanzen entstünden. So könnten sie ein Gefühl für Natur entwickeln, das Magische und Zauberhafte entdecken. "Entscheidend ist dabei die Haltung der Eltern. Wenn die mit Herzblut dabei sind, dann sind sie ein gutes Vorbild für ihre Kinder."Das kann auch Aline Scholz bestätigen.  "Paula würde nie einfach Blätter abreißen, weil sie weiß, wie stolz wir auf unsere Pflanzen sind und wie viel Mühe wir uns mit allem geben."

"Besonders schön ist es, die Erbsen herauszupuhlen". findet Paula. Foto: epd-bild/Jörg Neumann

Zudem entwickelten Kinder ein besonderes Gefühl für Jahreszeiten und wann etwas reif ist. "Im Winter waren wir bei Freunden eingeladen, bei denen es zum Nachtisch importierte Erdbeeren gab. Paula guckte sich das verwirrt an und meinte sofort, dass jetzt doch gar keine Erdbeerzeit sei", erzählt sie. In diesem Frühjahr hat Familie Scholz sogar eigene Blumentöpfchen aus gepresster Zeitung hergestellt, in denen Gemüse gezogen wurde. "Später haben wir sie dann alle zusammen nach draußen ins Beet gesetzt."

Kinder dürfen nicht instrumentalisiert werden, etwa fürs Unkrautjäten

Dabei muss es nicht unbedingt ein eigener Garten sein, um Kindern ein Gefühl für Natur zu vermitteln. Auch auf einem Balkon oder selbst auf der Fensterbank können Kinder Tiere beobachten oder Pflanzen wie Kresse und Sonnenblumen säen. Besonders gut kommen bei Kindern kleine Projekte an, bei denen Tiere eine Rolle spielen. So reicht schon ein größerer Keramikblumenkübel, um dort ein Minibiotop mit Wasserpflanzen und Wassertieren anzulegen. Aus etwas Holz oder Bambus lassen sich Bienenhotels oder Vogelhäuschen und aus Körben Schmetterlingsampeln bauen. Auf ältere Kinder üben Fliegenfallen eine magische Wirkung aus, die man zusammen mit anderen fleischfressenden Pflanzen in ein Beet oder einen Kübel pflanzt.

Für Hartmut Kasten ist es wichtig, dass Kindern die Gartenarbeit Spaß macht: "Sie dürfen nicht instrumentalisiert werden, etwa fürs Unkrautjäten." Mit den Kindern zusammen etwas Schönes erleben, darum sollte gehen. "Das Gemeinsame ist wichtig für eine Familie", sagt Kasten. Manchmal sei es auch einfach schön, zusammen mit seinen Kindern auf dem Rücken im Gras zu liegen und sich in den vorbeiziehenden Wolken Gesichter und Fantasiefiguren auszumalen. "Wenn es Eltern gelingt, eine Tür zu öffnen, dann ist das wunderbar."

epd

Literaturtipps für einfach umzusetzende Naturprojekte mit Kindern:
Martyn Cox, Löwenzahn und Schmetterling, DK-Verlag, 9,95 Euro
Clare Matthews, Gartenparadiese für Kinder, Kosmos-Verlag, 9,95 Euro
Catherine Woram/Martyn Cox: Gartenzwerg + Gänseblümchen, Callwey-Verlag, 19,95 Euro