Der Papst kommt nach Mitteldeutschland. Was erwarten Sie von dem Besuch?
Junkermann: Ich freue mich, dass er hierher kommt. Er trifft auf eine für ihn untypische Situation mit einem sehr hohen Anteil von Atheisten. Das ist für uns eine gemeinsame Herausforderung, die wir auch in der Ökumene gemeinsam wahrnehmen. Daran knüpft sich die Erwartung, dass wir gemeinsam der Welt und den Menschen Zeugnis von der frohen Botschaft geben und sie nicht durch unsere Unterschiede verstellen.
In Erfurt gibt es im Augustinerkloster ein ökumenisches Gespräch des Papstes mit Vertretern der EKD, Sie werden dabei sein. Was möchten Sie ansprechen?
Junkermann: Die Federführung des Gesprächs hat der Ratsvorsitzende der EKD, Präses Schneider. Mir wird die Pflicht und Ehre zuteil, als Hausherrin den Papst und alle, die an diesem Gespräch teilnehmen, zu begrüßen. Mir wird es wichtig sein, darauf hinzuweisen, dass wir an einem Ort sind, an dem Luther noch katholisch war. Der Ort ist evangelisch geworden und erinnert uns an eine gemeinsame Geschichte mit unterschiedlichen Zweigen. Der Papstbesuch ist auch ein Anlass, angesichts des bevorstehenden 500. Jubiläums der Reformation über die Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte und über das, was dieses Erbe heute bedeutet, nachzudenken.
Haben Sie konkrete Erwartungen an Fortschritte in der Ökumene?
Junkermann: Ich hoffe sehr, dass der Papst eine klare Ermutigung ausspricht, Ehepaare in sogenannter konfessionsverbindender Ehe zum Abendmahl und zur Eucharistie zuzulassen. Kirchenrechtlich ist das möglich, aber es wird aus verschiedenen Gründen nur sehr eingeschränkt praktiziert. In meiner Landeskirche betrifft das vor allem das Eichsfeld, wo es sehr viele Ehen mit je einem katholischen und evangelischen Ehepartner gibt.
Halten Sie Bewegungen in strittigen Fragen des Kirchenverständnisses für möglich?
Junkermann: Konkret erhoffe ich mir auch einen Impuls mit Blick auf die Kirchen der Reformation. Ich würde mich sehr freuen, wenn zum äußerlichen Entgegenkommen des Papstes auch das theologische kommt, die reformatorischen Kirchen als Kirche anzusehen und sie nicht nur als kirchliche Gemeinschaften zu bezeichnen, wie dies seit dem Jahr 2000 leider formuliert wird.
Das gemeinsame Abendmahl konfessionsverbindender Ehepaare ist eine der wichtigsten ökumenischen Fragen der Gegenwart. Foto: iStockphoto
Der Papstbesuch ist ein kurzfristiges Ereignis, auf das sich für wenige Tage die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit richten wird. Sehen Sie einen nachhaltigen Nutzen des Besuchs für die Kirchen in Mitteldeutschland?
Junkermann: Ein nachhaltiger Nutzen wird bestimmt sein, dass die katholischen Mitchristen gestärkt werden und ihre Situation auch stärker in den Blick der Weltkirche kommt. In dieser Region kommt es nicht nur darauf an, zwischen den Konfessionen ins Gespräch zu kommen, sondern auch mit den Nichtchristen. Ich hoffe, dass dies gefördert wird.
Im politischen Raum werden die Kosten des Staatsbesuchs von Papst Benedikt XVI. kritisiert, unter anderem von Vertretern der Linken. Was halten Sie von dieser Kostendiskussion?
Junkermann: Die Diskussion ist verständlich, aber sie müsste im Bezug auf jeden Staatsbesuch gestellt werden. Es ist gut, dass in einer Demokratie solche Fragen aufgeworfen und in den gesellschaftlichen Diskurs gegeben werden.
Was wird für Sie der Höhepunkt dieses Besuchs?
Junkermann: Es ist ein wichtiges Zeichen, dass wir gemeinsam einen Gottesdienst feiern. Wir werden dort gemeinsam auf Gottes Wort hören, und wir werden uns Gottes Wort vom Papst auslegen lassen. Darauf freue ich mich.
Der frühere Leiter des Konfessionskundlichen Instituts, der evangelische Theologe Reinhard Frieling, hat in der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" vorgeschlagen, dem Papst die Rolle eines "Ehrenoberhaupts der Christenheit " anzutragen. Ähnliche Gedanken hatte vor Jahren auch der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich geäußert. Was halten Sie von dieser Idee?
Junkermann: Hinter dieser Idee steckt die Sehnsucht nach sichtbarer Einheit, auch nach Stärke in einer multireligösen Weltgesellschaft. Ich denke, dass wir Vielfalt nicht nur negativ verstehen sollten. Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Kirchen muss ja nicht nur als ein Versagen der Christen in Sachen Einheit verstanden werden. Ich denke immer mehr, die Vielfalt der verschiedenen Kirchen und Glaubensrichtungen sind in gleichem, wenn nicht gar größerem Maß, Wirkung des Heiligen Geistes. So, dass keine Kirche "alles" oder das "ganze" hat - sondern dies allein Gott und Jesus Christus und dem Heiligen Geist vorbehalten bleibt. Wenn wir unsere Verschiedenheit annehmen und immer wieder nach dem gemeinsamen Zeugnis suchen, bleiben wir auf dem Weg, das Evangelium im Alltag der Welt und in ganz unterschiedlichen Kontexten und Traditionen zu bezeugen. Und wir bleiben darin angewiesen, der allein Einheit schafft, in dem er uns Verschiedene an seinen Einen Tisch einlädt.
Ilse Junkermann (54) ist seit 2009 Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Die gebürtige Württembergerin arbeitete nach dem Theologiestudium als Pfarrerin in Horb am Neckar und Stuttgart. Danach war sie unter anderem Studienleiterin für Pastoraltheologie und Predigtlehre am Pfarrseminar in Stuttgart-Birkach und seit 1997 Leiterin des Dezernats Theologische Ausbildung und Pfarrdienst der württenbergischen Landeskirche.