Mit einem Klick raus? Vom Datenschutz in sozialen Netzwerken
Der Bundesrat will verhindern, dass persönliche Daten von Social-Media-Nutzern ewig gespeichert bleiben. Eine Gesetzesänderung soll die Lösung sein. Kritiker sind skeptisch und fürchten durch neue Vorschriften sogar weitere Probleme.
18.08.2011
Von Franziska Fink

Den Datenschutz findet man wohl nicht auf der Freundesliste von sozialen Netzwerken. Will man zurzeit etwa sein eigenes Nutzerkonto bei Facebook löschen, muss man sich auf eine virtuelle Schnitzeljagd begeben und unzählige Untermenus durchklicken bis man den richtigen Menüpunkt dafür gefunden hat. Und ob dann auch wirklich alle persönlichen Daten gelöscht werden, das bleibt nachwievor die Frage.

Mit einem Knopfdruck offline?

Wenn es nach dem Bundesrat geht, soll das anders werden. Mit einem einzigen Knopfdruck die Möglichkeit haben, das eigene Profil bei Facebook, google+ und anderen sozialen Netzwerken zu löschen – das sieht ein neuer Gesetzentwurf vor. Demnach müssten die Anbieter sicher stellen, dass "der Nutzer die Löschung seines Nutzerkontos durch ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Bedienelement jederzeit selbst veranlassen kann." Mit der Idee eines gut sichtbaren "Löschknopfs" wird ein altes Anliegen aufgegriffen und weiterentwickelt. Denn bis vor ein paar Jahren noch war das Löschen persönlicher Nutzerdaten teilweise überhaupt nicht möglich.

Ralf Menger, Mitarbeiter des Hessischen Datenschutzbeauftragten, erklärt die Situation: "Bei den deutschen Netzwerken haben wir mittlerweile immerhin den Zustand, dass sie damals eine Selbstverpflichtungserklärung unterschrieben und damit zugesichert haben, dass auf Wunsch des Nutzers alle Daten gelöscht werden. Das war vorher entweder im System nicht möglich oder kein Menüpunkt. Da haben die Deutschen durchaus nachgelegt, das auf Verlangen des Nutzers zumindest die Bestandsdaten in seinem Profil gelöscht werden."

In dem neuen Gesetzantrag zur Änderung des Telemediengesetzes schlägt der Bundesrat zudem eine automatische Löschung von Nutzerkonten vor, wenn diese über ein Jahr nicht mehr genutzt wurden. "Soweit ich weiß, werden die letzten Karteileichen ewig aufgehoben, damit die Netzwerke sagen können, wir haben so und so viele Millionen Nutzer. Ich kenne jedenfalls kein Netzwerk, das eine automatische Kontenlöschung praktizieren würde", so Ralf Menger.

Bundesrat will besseren Schutz für junge Nutzer

Besonders bei jungen Menschen unter 16 Jahren sieht der Bundesrat erhöhten Schutzbedarf, denn "viele Nutzer, insbesondere Kinder und Jugendliche, unterschätzen of die erheblichen Gefahren für ihre Persönlichkeitsrechte und die Privatsphäre". Deswegen ist vorgesehen, dass bei einer Neuanmeldung automatisch die strengstmöglichen Sicherheitseinstellungen zum Schutz der Privatsphäre gelten.

Bisher ist bei vielen sozialen Netzwerken das Gegenteil der Fall, die Grundeinstellungen für Privatsphäre und Datenschutz sind eher locker gehalten. Dadurch besteht zum Beispiel die Gefahr, dass jeder hochgeladenene Urlaubsfotos sehen kann, wenn man sich nicht selbst darum kümmert, dass diese nur für ausgewählte Freunde sichtbar sein sollen. Persönliche Nutzerprofile können außerdem in der Regel von externen Suchmaschinen gefunden werden. Für Jugendliche unter 16 Jahren soll diese Funktion generell ausgeschaltet werden.

Aber bringen diese Maßnahmen überhaupt etwas? Die Bundesregierung spricht in einer offiziellen Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf von "erheblichen Durchsetzungsproblemen" und sieht keinen großen nationalen Handlungsspielraum. Es sollten "zunächst Lösungen auf europäischer Ebene gesucht werden".

"Wir können mit deutschen Gesetzen rumwedeln, wie wir wollen"

Wulf Bolte arbeitet bei der Hannoveraner Firma "Praemandatum", die sich auf umfassende Datenschutzberatungen spezialisiert hat. Er bringt es auf den Punkt: "Das Problematische an sozialen Netzwerken, weswegen auch eine Gesetzesänderung gar nichts bringt, ist dass die sozialen Netzwerke nicht ans deutsche Datenschutzgesetz gebunden sind, weil sie keinen Sitz in Deutschland haben. Facebook ist ein amerikanisches Unternehmen und wir können mit deutschen Gesetzen rumwedeln wie wir wollen, wir können einem amerikanischen Unternehmen ohne Sitz in Deutschland damit nicht irgendwelche Vorschriften machen."

Für Bolte ist Aufklärung der richtige Lösungsansatz und nicht neue Gesetze. "Die Herausforderung ist, dass den Menschen nicht klar ist in welchem Kontext sie kommunizieren. Wir müssen lernen, bewusster zu kommunizieren. Die Leute müssen lernen, dass Facebook eine Firma ist, die Geld verdient, und zwar Abermillionen mit den Daten, die die Leute freiwillig von sich preisgeben. Und ob dieser Deal fair ist, ist ein wichtiger Punkt, den sich die Leute selbst mal fragen müssen."

Gesetzänderungen haben seiner Meinung nach oft auch eine Alibifunktion, damit Politiker Engagement vorweisen können. Effektiv anwenden könne man aber die deutschen Datenschutzgesetze mit Hinblick auf soziale Netzwerke nicht. Im Gegenteil können neue Vorschriften auch neue Probleme schaffen. Wulf Bolte spinnt die vorgeschlagenen Altersvorgaben hinsichtlich des Jugendschutzes in sozialen Netzwerken weiter: "Plötzlich ist man dazu verpflichtet, sich personalisiert anzumelden, zum Beispiel mit einem Scan vom Personalausweis. Facebook lacht sich doch dann ins Fäustchen, dass sich da plötzlich keiner mehr anonym anmelden kann. Die sind damit nachher natürlich einverstanden, weil sie dadurch noch präzisere Profile bekommen."


Franziska Fink arbeitet als freie Journalistin für evangelisch.de.