Die Friedenskirche in ist eine ganz normale deutsche Kirche, in der jeden Sonntag um elf Uhr Gottesdienst stattfindet. Es gibt einen Pfarrer und ein Gemeindehaus mit Sekretärin. Klingt nicht ungewöhnlich. Wenn vor dieser Kirche aber Mandel- und Granatapfelbäume, Olivenbäume und Dattelpalmen wachsen, klingt das für die Beschreibung einer deutschen Kirche schon außergewöhnlich. Die südländische Bepflanzung erklärt sich durch den Standort des Gebäudes: Die Friedenskirche gehört zur deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Madrid. Unter der spanischen Sonne gedeihen die exotischen Pflanzen – und vielleicht war die spanische Sonne ja auch ein Grund dafür, warum der Weltjugendtag in diesem Jahr in Madrid stattfindet.
Nach Köln im Jahr 2005 und Sydney 2008 ist der Weltjugendtag in Spanien der dritte, an dem Ludwig Lau teilnimmt. Der 47 Jahre alte katholische Dekanatsjugendseelsorger aus Lindau am Bodensee hat für eine Gruppe Jugendlicher eine Reise zum Weltjugendtag in die spanische Hauptstadt organisiert. Gemeinsam mit einem Reisebegleiter und zehn Teilnehmern kommt er im Gemeindehaus der Friedenskirche unter. "Dass wir hier schlafen können, ist aus einem privaten Kontakt heraus entstanden", erzählt Lau. "Weil ich den ehemaligen Pfarrer dieser Gemeinde kenne, kam die Idee, hier zu übernachten."
Ein Dutzend Schlafplätze in privater Atmosphäre, zentrumsnah, in fußläufiger Entfernung zum Cibeles-Brunnen, einem der wichtigsten Veranstaltungsorte des Weltjugendtags – das ist Luxus. "In Köln und Sydney lagen unsere riesigen Gemeinschaftsunterkünfte außerhalb des Zentrums, das hier in Madrid ist viel privater", sagt Lau. Zum inoffiziellen Rahmenprogramm der Gruppe aus Lindau gehört auch eine private Stadtführung; ein Gemeindemitglied zeigt ihnen die Sehenswürdigkeiten der spanischen Hauptstadt.
Zu Fuß zum Cibeles-Brunnen
Ludwig Laus dritter Weltjugendtag ist für alle zehn Mitfahrer zwischen 15 und 20 Jahren der erste. "Natürlich geht es uns hier ums Spaßhaben und Leute kennenlernen", sagt Tobias Truckenbrodt (19). "Aber im gemeinsamen Gottesdienst zum Glauben zu finden, gehört auch dazu und ist genauso wichtig." Sophie Biermann ist die einzige Protestantin in der Reisegruppe. "Dass ich die einzige bin, merke ich aber eigentlich nie", so die 16-Jährige, "außer wenn Ausdrücke aus der katholischen Kirche fallen, die ich nicht kenne."
Der Palacio de Comunicaciones vor dem Cibeles-Brunnen, einer der Hauptveranstaltungsorte des Weltjugendtags in Madrid. Am Dienstagabend fand hier auch der Eröffnungsgottesdienst statt.
Der ökumenische Gedanke, den die Reise der Jugendgruppe mit der deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde Madrid verbindet, setzt sich sogar bis ins Sekretariat des Gemeindehauses neben der Friedenskirche fort. Die Sekretärin Cornelia Jagsch-Vanegas arbeitet dort seit vier Jahren. "Als katholische Theologin in dieser evangelischen Gemeinde bin ich die gelebte Ökumene", so die Österreicherin. Auch der offizielle Empfang des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend findet im Rahmen des Weltjugendtags in der Friedenskirche statt. "Mit der Deutschen Katholischen Gemeinde in Madrid haben wir guten Kontakt", sagt Jagsch-Vanegas, "es gibt gemeinsame Veranstaltungen und mit dem 'Christenrat' auch ein gemeinsames Forum der beiden deutschsprachigen Gemeinden in Madrid."
In der spanischen Hauptstadt ist die Geschichte der Evangelischen Gemeinde älter als die der 1950 gegründeten Katholischen. 1864 fand der erste Gottesdienst für deutsche Protestanten in Madrid statt, in den folgenden Jahrzehnten kamen die Gläubigen an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten zusammen, bevor die Gemeinde 1903 offiziell gegründet wurde. Wenige Monate später wurde der erste Pfarrer von der Preußischen Landeskirche nach Madrid entsandt. Das Kirchengebäude mit Pfarr- und Gemeindehaus wurde mit Unterstützung des Kaisers Wilhelm II. gebaut und 1909 eingeweiht. Im spanischen Bürgerkrieg (1936-39) diente es zeitweise Gemeindemitgliedern als Unterkunft.
Das offizielle Loge des Madrider Weltjugendtags. Ein Klick darauf führt zur offiziellen deutschen Weltjugendtagsseite im Internet.
"Heute treffen sich in unserer Gemeinde vor allem zwei Gruppen", erklärt Jagsch-Vanegas. So gebe es diejenigen, die seit 30, 40 Jahren in Madrid lebten, und solche, die wegen ihres Arbeitsplatzes in deutschen Unternehmen, Goethe-Institut, Botschaft oder NATO mit oder ohne Familie oft nur wenige Jahre in der spanischen Hauptstadt blieben. "Unser Einzugsbereich ist 50 Kilometer um Madrid", so Jagsch-Vanegas, "das macht Dinge wie Jugendarbeit schwierig, denn Eltern müssten ihre Kinder immer bringen und wieder abholen."
Mit der Reisegruppe vom Bodensee ist zumindest für diese Woche die Jugendarbeit in den Gebäuden der Evangelischen Gemeinde sicher gestellt. Die jungen Leute um Ludwig Lau bereiten sich auf den Papstbesuch vor und genießen dabei die Hitze in Madrid - oder, wie es Tobias Truckenbrodt nennt, "das spanische Urlaubsflair". Dieses Urlaubsflair begleitet die Jugendlichen aus Lindau auch noch nach dem Besuch von Benedikt XVI.: Vor dem Rückflug nach Deutschland entspannt die Gruppe ein paar Tage lang an der spanischen Mittelmeerküste.
Simon P. Balzert (26) lebt, studiert und arbeitet seit zwei Jahren in Madrid. Er berichtet für evangelisch.de vom Weltjugendtag in der spanischen Hauptstadt.