Somalische Flüchtlinge überfordern Kenia
Kenia könnte die Dürre eigentlich selbst bewältigen. Der Staat hat genügend Geld. Doch die zusätzliche Belastung durch die somalischen Flüchtlinge ist kaum mehr zu bewältigen. Die Helfer sind gefragt.
17.08.2011
Von Ruppert Mayr

Wenn es regnet in Dadaab, müssen die Menschen aufpassen, dass sie nicht ertrinken. Wenn es regnet in dieser Gegend am Horn von Afrika, ist der Boden so trocken, dass er die Regenmassen gar nicht aufnehmen kann. Das sagt zwar auch Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) bei seinem Besuch der somalischen Flüchtlingslager in der Nähe der kenianischen Ortschaft. Aber das ist kaum vorstellbar, wenn man in die vollen Flüchtlingslager reist und hungernde Menschen sieht. Zwei Regenzeiten blieben aus.

Der erste ausbleibende Regen im Herbst wäre noch zu ertragen gewesen, doch die zweite Regenzeit ohne Regen erwischte die Region mit der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten. Zwölf Millionen Menschen sind in der Region betroffen. Die Menschen fliehen vor der Dürre. Bei den "neuen" Flüchtlingen aus Somalia ist aber nicht so ganz klar, ob es die Dürre oder der Bürgerkrieg ist, der sie aus ihrer Heimat vertrieben hat.

Dürren früher "leichter zu meistern"

Seit 20 Jahren tobt der Bürgerkrieg in Somalia und seit 20 Jahren gibt es die Lager in Kenia. 1991 waren es 70.000 Flüchtlinge, heute sind es mehr als 400.000. Täglich kommen 1.000 bis 1.500 neue. Zuletzt sind es weniger geworden, weil der Einfluss der islamistischen Al-Schabaab-Miliz in einigen Regionen zurückgedrängt werden konnte. Einige sind schon seit 1991 in dem Lager, viele sind dort aufgewachsen. Aus dem ehemals 60.000 Seelen zählenden Städtchen Dabaab ist die drittgrößte Stadt in Kenia geworden - nach Nairobi und Mombasa.

Diese Dürre ist ein Bote der klimatischen Veränderungen, sagen Experten. Das werde jetzt am Horn von Afrika zu einem Dauerphänomen. Man müsse sich darauf einstellen bei der Hilfe und den Wiederaufbau der Region. Andere erinnern daran, dass es schon immer Dürren gab. Sie seien früher leichter zu meistern gewesen, weil der karge Boden für ein paar Nomadenstämme immer noch gereicht habe. Doch die Bevölkerung in der Region nahm und nimmt rapide zu, erläutert ein Vertreter der KfW-Bankengruppe.

Allein in Kenia mit seinen 40 Millionen Einwohnern komme derzeit jährlich eine Million Menschen dazu. Zudem sind die Nomaden zu Hirten - also sesshaft geworden. Sei zerstören mit ihrem Vieh die Vegetation in ihrer Umgebung nachhaltig. Denn es ist nicht nur ihr eigenes Vieh. Reiche Kenianer lassen zum Teil mehrere tausend Rinder dort weiden und stellen sie in die Obhut von Hirten. Das scheint ein profitabler Geschäftszweig für die kenianische Oberschicht zu sein.

Die Lösung des Flüchtlingsproblems liegt in Somalia

Regen-Auffangtanks und ähnliche Entwicklungsprojekte behandeln also nur Symptome, nicht die Ursachen. Als wichtigster erster Schritt wäre eine vernünftige Geburtenkontrolle notwendig. Und dazu müsste in der Tat mittel- und langfristiger Wiederaufbau Land und Vieh-Wirtschaft vereinen, wie es Niebel verlangt.

Kenia alleine wäre nach Expertenmeinung durchaus in der Lage, eine Dürre dieses Ausmaßes zu überstehen. Denn die Regierung in Nairobi hat ausreichend Finanzmittel, durch Zukauf von Lebensmitteln auch die Bürger im Nordosten zu versorgen. Doch mit dem zusätzlichen Bedarf der 400.000 bis 500.000 Flüchtlinge aus Somalia ist auch die kenianische Regierung überfordert.

Trotzdem lässt Kenia die Grenzen für die Flüchtlinge offen. Dazu wird es zwar von der internationalen Gemeinschaft aufgefordert, doch uneigennützig sei das nicht, sagt ein Experte. Denn wenn die Grenze geschlossen würde, würde der Konflikt zwischen Somalis und Kenianern deutlich an Schärfe gewinnen. Zudem machten etliche Mitglieder der kenianischen Politik mit den Flüchtlingen immer noch ein gutes Geschäft. So würden Nahrungsmittel zurückgehalten, um den Preis künstlich in die Höhe zu treiben, sagen Experten. In den vergangenen Monaten seien die Preise für Nahrungsmittel um 15 Prozent gestiegen.

Die Lösung des Flüchtlingsproblems in Kenia sieht Niebel in erster Linie in Somalia. Dafür will er unter anderem die Afrikanische Union stärken. Doch bis zu einer Stabilisierung Somalias gilt es, auch die kenianische Bevölkerung in der Region um Dadaab in die Verteilung der Hilfsgüter einzubeziehen, um Konflikte mit den Somalis zu verhindern.

 

dpa