TV-Tipp des Tages: "Lutter: Toter Bruder" (3sat)
Ein erfrischender Krimi mit witzigen Dialogen - auch weil dessen Regisseur Torsten Wacker sein komisches Handwerk bei der bekanntesten deutschen Komikerin gelernt hat.
16.08.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Lutter: Toter Bruder", Mittwoch, 17. August, 22.25 Uhr auf 3sat

Der Anfang wirkt wie eine Hommage an "Mission: Impossible", aber schon kurz drauf gibt's eine Menge Regionalkolorit: In den Filmen der Reihe "Lutter" präsentiert sich das Ruhrgebiet als weite Welt, die in Wirklichkeit bloß ein Dorf ist. Deshalb kennt Kriminalkommissar Lutter (Joachim Król) ja auch jeden: Der Einbrecher, der seinen Rififi-Coup unglücklich mit dem Leben bezahlen musste, ist der Halbbruder von Lutter Kickerkumpel Sunny (Jochen Nickel). Der Hehler, der alsbald in Verdacht gerät, die geklauten Klunker versilbert zu haben, ist selbstredend auch ein alter Kunde. Der Fall wird ohnehin immer familiärer, aber wie sehr es sich tatsächlich um ein Familiendrama handelt, ahnt man bis zuletzt nicht.

Bei Anke Engelke geschult

Das Drehbuch zu dieser vielschichtigen Geschichte stammt von Dirk Salomon und Thomas Wesskamp, die sich vor gut zehn Jahren das herrlich schräge "Polizeiruf"-Team aus dem Bergischen Land ausgedacht haben und für die Folge "1a Landeier" mit einem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet worden sind. Das Duo hat vor allem zwei Stärken: Seine Fähigkeit, Figuren mit wenigen Strichen zu skizzieren, ohne sie klischeehaft wirken zu lassen, wird noch übertroffen von den zugespitzten Dialogen. Wenn man dann noch weiß, dass Regisseur Torsten Wacker ("Süperseks") zwar noch nicht viel Filmerfahrung besitzt, aber bei "Ladyland" mit Anke Engelke gelernt hat, Pointen zu inszenieren, ahnt man, dass diese "Lutter"-Episode erfrischend komische Seiten hat. Das liegt natürlich auch an Joachim Król, der den Kommissar buchstäblich mit einem Augenzwinkern spielt; gerade die Szenen mit weiblicher Beteiligung (Sascha Ö. Soydan als Staatsanwältin, Sandra Borgmann als Pathologin) machen eine Menge Spaß.

Nicht bloß nebenbei ist der Film aber auch fesselnder Krimi, weil es naturgemäß eine ganze Reihe Verdächtiger gibt, zu denen zwischenzeitlich sogar Sunny gehört. Unehelich gezeugte Kinder, Jahrzehnte lang erduldete Lebenslügen und tragische Todesfälle verleihen der Geschichte eine reizvolle Vielschichtigkeit. Armin Rohde hat sichtlich Spaß an seiner Gastrolle als ungarischer Hehler, dessen Frau (Melika Foroutan) ein leidenschaftliches Verhältnis mit dem Toten hatte, und mit Matthias Koeberlin hat Król zudem einen Partner, der gleichfalls beides drauf hat: den Krimi und die Comedy.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).