"Kommissar Süden und der Luftgitarrist", Dienstag, 16. August, 22.10 Uhr auf 3sat
Es wirkt schon etwas absonderlich, wenn erwachsene Männer zum Klang eines Rocksongs so tun, als würden sie Gitarre spielen. Aber offenbar ist die Beschäftigung verbreiteter, als viele Rockfans glauben, die ihre Luftgitarre vorzugsweise daheim und ohne Zeugen bearbeiten. In der zweiten und leider wohl auch letzten Geschichte mit Tabor Süden (Ulrich Noethen), Kommissar bei der Münchener Kriminalpolizei und für "Vermissungen" zuständig, ist jedenfalls solch ein Luftgitarrist verschwunden; dabei steht doch das große Finale an, bei dem der Mann unter anderem gegen Südens zusehends abbauenden Kollegen Heuer (Martin Feifel) antreten sollte.
Heuer ist ein Wrack, seit die Abteilung vor drei Jahren die Münchener Opfer des thailändischen Tsunamis identifizieren mussten. Regisseur Dominik Graf zeigt die entsprechenden Fotos zwar nur kurz, aber das genügt völlig, um die nachhaltigen Emotionen der Beamten verstehen zu können - den entsprechenden TV-Bericht spricht Graf übrigens selbst. Die Telefonate mit den verzweifelten Angehörigen tun ein Übriges. Damit ist Krimiautor Friedrich Ani, der seine Romanvorlage diesmal selbst adaptierte, bei seiner zweiten Ebene - jener Geschichte des Taxifahrers, der seine totgeglaubte Frau sieht.
Die Romanze des Kommissars
Die beiden Erzählstränge haben nichts miteinander zu tun; der zweite Film ist ohnehin viel episodischer erzählt als die erste Verfilmung ("Kommissar Süden und das Geheimnis der Königin"). Das macht aber nichts: Dank Grafs Inszenierung sind die Figuren diesmal wichtiger; und das, obwohl er sich sogar den Luxus erlaubt, diverse Details nicht mehr ausdrücklich zu wiederholen. Dass Südens Vater zum Beispiel selbst eine "Vermissung" ist, wird nur noch am Rande angedeutet. Dafür wird endlich die unausgesprochene Romanze zwischen dem Kommissar und seiner schönen Kollegin Feyerabend (Jeanette Hain) ausgelebt.
Gerade in diesen vielen kleinen Geschichten liegt der ungeheure Reiz des Films, der sich den verschiedenen Kernen oft erst auf Umwegen nähert. Deshalb sucht Süden zunächst auch gar nicht nach dem Luftgitarristen (Alexander Scheer), sondern nach dessen Stiefbruder, einem einst vielversprechenden Fußballtalent, dessen Karriere beim FC Bayern nach vielen Verletzungen mit 22 ein abruptes Ende fand und der seit zehn Monaten verschwunden ist. Ein bei aller Betrübnis doch sehr schöner Film, großartig fotografiert (Alexander Fischerkosen) und mit wunderbarer Musik (Dieter Schleip) unterlegt, der dank eines ungemein zu Herzen gehenden Finales selbst das wunderliche Hobby der Luftgitarrespielens in etwas anderem Licht erscheinen lässt.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).