Sascha, Ansgar und Herbert (Namen geändert) sind Ehemänner und lieben ihre Frauen - eigentlich. Wenn es Streit gibt zu Hause, etwas nicht nach ihren Vorstellungen läuft, haben sie sich manchmal nicht im Griff. Dann schlagen sie ihre Frauen - wie Zehntausende Männer jedes Jahr in Deutschland, Tendenz steigend. In Trainingsgruppen in bundesweit rund 30 Einrichtungen sollen diese Täter lernen Konflikte, ohne Gewalt zu lösen.
Sascha, Ansgar und Herbert trainieren in einer Gruppe des Diakonischen Werks Osnabrück. Hermann hat seiner Frau mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Das war einen Tag nach dem ersten Hochzeitstag. Eigentlich war es ein Streit zwischen ihm und der Schwiegermutter. Seine Frau hat sich eingemischt. "Sie hat sich vor mir aufgebaut wie ein Mann", sagt Hermann. Er ist noch immer entrüstet: "Das geht gar nicht!" Damals ist er ausgerastet.
Wie hart denn der Schlag gewesen sei, will Anti-Gewalttrainer Hans Ludger wissen: "Auf einer Skala von eins bis zehn." Herbert muss nicht lange überlegen: "Elf", sagt er: "Sie ist zusammengesackt und zur Seite gefallen." Dann hat er ihr seine Knie auf die Arme gepresst. "Auf den Boden fixiert", nennt er das: "Das mache ich immer so. Den Gegner runter und fixieren. Das ist mein Kampfverhalten, wenn ich mich angegriffen fühle."
Häusliche Gewalt beruht auf erlernten Verhaltensweisen und Rollenmustern
Das Gruppen-Sozialtraining für gewalttätige Ehemänner beruht auf Standards, die die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) "Täterarbeit häusliche Gewalt" mit Unterstützung des Bundesfamilienministeriums 2007 festgelegt hat. Bundesweit arbeiten danach mittlerweile rund 30 Einrichtungen. Erst seit der Einführung des Gewaltschutzgesetzes 2002 wird häusliche Gewalt nicht mehr als Familienstreitigkeit sondern als Offizialdelikt behandelt: Die Taten müssen nun von Polizei und Justiz verfolgt werden.
Die Täterarbeit stehe bei Delikten häuslicher Gewalt in Deutschland jedoch noch immer am Anfang, sagt Professor Carol Hagemann-White. In angelsächsischen Ländern sei sie schon seit fast 30 Jahren weit verbreitet. Auf diese Erfahrungen zurückgreifend hat die amerikanische Soziologin der Uni Osnabrück in einer 2005 veröffentlichten Studie den Erfolg dieses Ansatzes nachgewiesen. Die Studie wurde zur Grundlage für die von der BAG erarbeiteten Standards. Entscheidend ist dabei der Trainingsgedanke. "Täterarbeit mit gewalttätigen Ehemännern ist keine Psychotherapie", sagt Klaus Eggerding, Vorsitzender der BAG und Mitautor der Standards: "Männer, die ihre Partnerinnen schlagen, sind in der Regel nicht psychisch krank. Häusliche Gewalt beruht auf erlernten Verhaltensweisen und Rollenmustern." Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zusammenarbeit mit Polizei, Justiz, Frauenhäusern und anderen Opferschutzorganisationen.
In der Gruppe von Hans Ludger und seiner Kollegin Nicole Wesselmann haben die meisten die gerichtliche Auflage bekommen am Sozialtraining teilzunehmen: "Das bedeutet 15 Gruppentermine und 15 Einzelgespräche." Die Teilnehmer müssen ihre Taten detailliert beschreiben. Sie werden in der Gruppe kommentiert und diskutiert. Auch Kindheits- und Jugenderlebnisse der Männer kommen zur Sprache.
Selbst die Sprache ist oft gewalttätig, ohne dass den Männern das überhaupt bewusst ist
Die Gruppenleiter erleben die vielfältigsten Umgehensweisen mit den Taten: Verdrängung und Scham, aber auch Großspurigkeit und sogar Stolz auf das eigene Macho-Gehabe. Selbst die Sprache sei oft gewalttätig, ohne dass den Männern das überhaupt bewusst sei, sagt Wesselmann. Ihre Aufgabe ist es, zunächst ein Klima des Vertrauens zu schaffen. "Hier lernt man, über Probleme zu reden. Man merkt, die anderen kommen mit sich auch nicht klar", sagt Herbert. Die beiden Trainer zeigen Handlungsalternativen auf und versuchen Mitgefühl mit den Opfern zu wecken.
Sascha ist freiwillig dabei. "Ich mache das Training hauptsächlich für mich", sagt der Ingenieur mit leiser Stimme. Mit seiner Frau sei es häufiger zum Streit gekommen. "Ich fahre dann schon mal schnell aus der Haut, werde aggressiv," räumt er kleinlaut ein. Aber nur ein einziges Mal sei "es" vorgekommen. Seine Augen fixieren einen imaginären Punkt auf dem Teppichboden. "Das möchte ich nicht noch einmal erleben."
Ansgar hat seine Frau häufig im Suff geschlagen. Heute ist er zum letzten Mal beim Gruppentraining. Er ist stolz, dass er sein Leben wieder im Griff hat - und dankbar, dass seine Frau noch zu ihm hält. "Ich hab hier vieles gelernt und bin ruhiger geworden", sagt er. Ludger ist zuversichtlich, dass er sein Verhalten dauerhaft geändert hat. Auch Herbert glaubt, dass er auf einem guten Weg ist: "Früher gab's schon mal blaue Augen und gebrochene Nasen, aber jetzt bin ich ruhiger."