Mit einer Schweigeminute hat Berlin am Samstag der Opfer des Mauerbaus vor 50 Jahren gedacht. Um 12 Uhr läuteten Kirchenglocken, Busse und Bahnen stoppten kurz, Menschen hielten inne. Am 13. August 1961 hatte die DDR mit dem Bau der Berliner Mauer begonnen, der die deutsche Teilung zementierte. Beim Versuch, die Mauer und die innerdeutsche Grenze zu überwinden, starben bis 1989 mindestens 139 Menschen.
Auch beim zentralen Gedenken in der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße auf dem früheren Todesstreifen gab es einen Moment des Innehaltens. Bundespräsident Christian Wulff, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) legten Kränze nieder und verharrten in schweigendem Gedenken. Opferverbände hatten zu der Schweigeminute aufgerufen. Damit solle ein Zeichen für Demokratie und Freiheit gesetzt werden, betonte Wowereit zuvor.
Führende Politiker verlangten zum 50. Jahrestag des Mauerbaus eine stärkere Beschäftigung mit der DDR-Geschichte. "Mittel und Wege der Machtausübung in diesem Staat waren verbrecherisch, und das ist vielen Deutschen nicht bewusst", sagte Wulff. Wowereit (SPD), Kulturstaatsminister Bernd Neumann und die DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier verurteilten an den Mauerresten in der Bernauer Straße die Verharmlosung des SED-Regimes. In der Nacht zum 13. August 1961 hatte die DDR mit dem Bau einer Mauer zwischen Ost- und West-Berlin begonnen, um den Flüchtlingsstrom nach Westdeutschland zu stoppen.
"Gleichgültigkeit im Westen"
Wulff kritisierte in seiner Rede zugleich eine "um sich greifende Gleichgültigkeit in Westdeutschland" nach dem Mauerbau. "Hier herrschte ein gerüttelt Maß an intellektueller und moralischer Bequemlichkeit", sagte Wulff vor mehreren hundert Teilnehmer der Gedenkfeier. Die Beschäftigung mit der Mauer fordere auch heute zum Streben nach "noch mehr wirklicher Freiheit" auf.
Zu der Gedenkfeier in Berlin waren auch zahlreiche Angehörige von Maueropfern gekommen. Wulff eröffnete bei der Veranstaltung den zweiten Teil der Open-Air-Ausstellung in der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße. Entlang des ehemaligen Todesstreifens verweisen 26 Infostelen und 22 großformatige Fotos an den umliegenden Häuserwänden auf gegrabene Fluchttunnel und später abgerissene Grenzhäuser.
Wowereit würdigte die Gedenkstätte, die jährlich eine halbe Million Besucher anzieht. "Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, die Erinnerung wachzuhalten und an die nächste Generation weiterzugeben", sagte der SPD-Politiker. Keinerlei Verständnis habe er für diejenigen, die Teilung und Mauer nostalgisch verklärten. "Die Mauer war Teil eines diktatorischen Systems, eines Unrechtsstaates." Auch Kulturstaatsminister Neumann sagte: "Es macht traurig, dass immer noch so viele das System der DDR verharmlosen." Die Gesellschaft sei es den Unangepassten und Mutigen in der DDR sowie den Werten Demokratie und Freiheit schuldig, die Wahrheit zu sagen.
Die Angst ins Gedächtnis eingebrannt
In einer bewegenden Ansprache erinnerte die Bürgerrechtlerin Freya Klier an Flüchtlinge, die an der innerdeutschen Grenze ihr Leben ließen. Aber auch vielen, denen die Flucht gelang oder die ihr Entdecken überlebten, hätten sich die Geschichte der Flucht und die damalige Angst ins Gedächtnis gebrannt, "teilweise für immer".
Im Anschluss an die Feierlichkeiten auf dem Gedenkstättenareal erinnerten evangelische und katholische Kirche in der benachbarten Kapelle der Versöhnung an den Mauerbau. Der Berliner Bischof Markus Dröge rief in seiner Predigt zu einem stärkeren Eintreten für die Menschenrechte auf. "Während wir der Berliner Mauer gedenken, dankbar, dass sie gefallen ist, fordern andere Mauern ihre Opfer", sagte der evangelische Theologe. Als Beispiel nannte er unter anderem die Mauer zwischen Israel und Palästina und die Außengrenzen Europas, die Flüchtlinge abhalten sollen.