Beim politischen Krisenmanagement in der zugespitzten Finanzmarktsituation vermisst der evangelische Altbischof Wolfgang Huber an Nachhaltigkeit orientierte Ziele. Die vagen Zielsetzungen bei der Bekämpfung der Schulden- und Eurokrise gefährdeten die Verlässlichkeit rechtlicher Regelungen und das Zutrauen der Bürger, sagte der Sozialethiker in einem epd-Gespräch. "Die Krisen werden mit Rettungsinterventionen bekämpft, die die Schulden vermehren, die gleichzeitig bekämpft werden sollen."
Wenn das Verbot innerhalb der Europäischen Union, die Schulden anderer Staaten zu übernehmen, so eklatant in den Wind geschlagen werde, werfe dies ernste Fragen auf, sagte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). So stelle sich die Frage, ob die EU die Funktion einer "Haftungsgemeinschaft" übernehme, statt dass mit Vorrang die Umschuldung der betroffenen Staaten betrieben würde. "Steckt darin eine Erlaubnis für einzelne EU-Mitglieder, eine Haushalts- und eine Schuldenpolitik zu betreiben, die dann die Bonität ganzer Staaten in Frage stellt?" Es dränge sich der Eindruck auf, die Politik verfahre nach dem Satz "Not kennt kein Gebot", fügte Huber hinzu.
Spekulationen gegen Staaten unterbinden
Auch vermisse er gezielte Maßnahmen gegen die Spekulation auf Zahlungsschwierigkeiten von Staaten. Einige der Banken und Finanzmarktakteure, die im Zuge der Finanzkrise mit Steuergeldern gerettet wurden, spekulierten jetzt gegen die Interessen ihrer Staaten und Währungen. Dies zu erkennen und zu unterbinden, sei eine dringliche Aufgabe der Politik. Dies sei für das Zutrauen in die Politik eine gefährliche Entwicklung, warnte der evangelische Theologieprofessor. Gerade Menschen, die in Generationszyklen dächten, verspürten eine starke Ratlosigkeit. Menschen, die Verantwortung für ihre Kinder und Enkel übernehmen, seien besorgt und fragten sich, unter welchen Bedingungen die nachfolgende Generation leben werde.
Von Politik und Wirtschaft erwartet Huber, dass sie diese Besorgnisse wahrnehmen. Politische und wirtschaftliche Akteure dürften nicht nur als "Getriebene" einer krisenhaften Entwicklung reagieren. Vielmehr müssten sie dazu beitragen, "dass wir eine lebensfähige, wirtschaftlich leistungsfähige und den Zusammenhalt der Generationen fördernde Gesellschaft sind". Die von der EKD in der globalen Finanzmarktkrise 2009 befürwortete Fortentwicklung der Marktwirtschaft zu einer ökologischen, global verantworteten, sozialen Marktwirtschaft sei unverändert richtig.
Bei Einsparungen zur notwendigen Haushaltskonsolidierung muss laut Huber darauf geachtet werden, dass nicht elementare Fürsorgeverpflichtungen, allen voran im Bereich der Bildung, aufgekündigt würden. Wenn dies drohe, müsse sich eine kritische Öffentlichkeit - die Kirchen eingeschlossen - zu Wort melden, empfahl der Sozialethiker.