Was steht in dieser turbulenten Woche eigentlich auf dem Spiel? Alles, wenn man in die Gesichter der aufgeregten Börsianer schaut. Viele verfolgen fassungslos, wie die Kurse steil nach unten fallen, steigen, fallen und so weiter.
In den Nachrichten sind Politiker zu sehen, die mit versteinerten Mienen versuchen, Gelassenheit und Zuversicht zu verbreiten. Vergeblich. Und Journalisten fragen irritiert: Bricht gerade der Euroraum zusammen? Oder sind das womöglich nur belanglose Kursschwankungen? Oder erleben wir gerade den Beginn einer Weltwirtschaftskrise? Niemand weiß es.
Für mich als Laie in Sachen Wirtschaft und Finanzen ist es schon atemberaubend, wie da in kurzer Folge gigantische Risiken in die Luft gemalt und wieder angezweifelt werden.
Mit dem Geld steht niemals alles auf dem Spiel
Aber als Christ versuche ich - wie viele nachdenkliche Börsianer auch, mich von diesen Schreckenszenarien nicht überrollen zu lassen. Mit dem Geld steht niemals alles auf dem Spiel. Das heißt nicht, dass es unwichtig wäre. Man braucht etwas davon, um seine Existenz zu sichern und um nicht hungern zu müssen. Und gleichzeitig stimmt: Reichtum macht die Seele nicht satt. Reichtum kann sogar belasten, wie man an den gestressten Gesichtern der Börsianer sehen kann. Viele von ihnen wissen deshalb auch sehr gut um die Grenzen des Marktes.
Dennoch verfolge ich natürlich die Ereignisse aufmerksam und versuche sie zu verstehen. Auch wenn das schwer ist – selbst für Fachleute. Eines spüre ich dabei genau: Irgendetwas ist da faul. Hier übernimmt ein System Macht über ganz viele Leben. Und dieses System ist offenbar kaum zu durchschauen und noch viel weniger zu steuern. Das ist kein Spiel, das ist Ernst. Die Milliarden, die die Staaten in die Rettung der Finanzwirtschaft pumpen, die fehlen woanders. Irgendwo am Ende der Kette sitzen schon jetzt Menschen, die um ihr Existenzminimum kämpfen und sogar – weltweit betrachtet - am Hunger sterben.
Mir ist ein Mann bekannt, der wirtschaftet anders. Ein reicher Mann, der sein Geld im Agrarbusiness gemacht hat. Er ist schon etwas älter, Lebens erfahren. Hart hat er gearbeitet für seinen Erfolg. Nun ist er da. Eine richtig gute Ernte hat der Mann eingefahren. Was soll er mit den Überschüssen machen? Er entscheidet sich, sie zu behalten. Dafür baut er größere Speicher und freut sich auf ein sorgloses Leben. Mit dieser Einstellung zieht der Mann von zwei Seiten Kritik auf sich.
„Mensch, gib uns deinen Weizen. Wir verkaufen den auf dem Papier."
Moderne Ökonomen würden ihn für dumm halten. Sie würden ihm wohl raten: "Mensch, gib uns deinen Weizen. Wir verkaufen den auf dem Papier. Dann können wir ihn mehrfach verkaufen. Die Kunden wissen das. Für die ist der Weizen nur eine Wertanlage - Papierweizen. Wir könnten sogar deine nächste Ernte schon jetzt verkaufen. Ein super Geschäft!“
Kritik von anderer Seite überliefert der Evangelist Lukas in der Bibel. Sie kommt von Jesus, der diese Geschichte vom reichen Kornbauern als Warnung erzählt. Und er erzählt sie so weiter: Gott sprach zu dem reichen Mann: „Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.“
Das sagt Jesus und eröffnet damit noch einen ganz anderen und weiten Horizont. Er stellt die Frage in den Raum: Was steht im Leben eigentlich wirklich auf dem Spiel? Worauf lohnt es, seine Energie zu richten? Das Schätze sammeln reicht da nicht aus. Jesus sagt: „Reich bei Gott.“ Das klingt interessant. Und mancher, der es versucht, der merkt: Ja, es gibt diesen ganz anderen Reichtum. Die Fülle an wirklich gelebten Momenten, Wert geschätztes Jetzt. Das sind Augenblicke des Glücks, des Helfens, des Betens, Momente des Einsseins mit Gott und sich selbst. Die machen das Leben aus. Die zu verpassen, das ist der eigentliche Verlust. Die zu sammeln, das ist der eigentliche Gewinn. Bibelnachweis: (Lukas 11,16-21)
Stephan Krebs (Jahrgang 1958) ist Pfarrer und seit 2000 Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) mit Sitz in Darmstadt. Er wurde in Wiesbaden geboren, verbrachte seine Kindheit in Flensburg und seine Jugend in Bensheim/Bergstraße. Er studierte Evangelische Theologie in Heidelberg, leistete sein Vikariat in Wiesbaden und war von 1989 bis 1993 Gemeindepfarrer in Egelsbach/Südhessen. Dann absolvierte er eine Publizistische Zusatzausbildung, bevor er im Dienst der Evangelischen Kirche in Deutschland von 1994 bis 2000 Gottesdienstübertragungen im ZDF organisierte. Nebenbei gestaltet er Verkündigungssendungen und verfasst geistliche Geschenkhefte. Freie Zeit verbringt er gerne im seiner Familie mit vier Kindern plus Pflegekindern. Oder mit Freunden auf einem Segelboot.