Unruhen in Großbritannien fordern weiteres Todesopfer
Die Krawalle in Großbritannien haben erneut ein Menschenleben gefordert. Ein 68 Jahre alter Mann starb am Donnerstag kurz vor Mitternacht an seinen bei den Unruhen in London erlittenen Verletzungen. Wie Scotland Yard nach Medienberichten in der Nacht zum Freitag mitteilte, seien Mordermittlungen eingeleitet worden. Der 68-Jährige sei am Montag im Londoner Stadtteil Ealing attackiert worden, als er ein Feuer löschen wollte. Der Mann hatte schwere Kopfverletzungen erlitten.

Im Fall von drei während der Krawalle ums Leben gekommenen Männern nahm die Polizei drei Tatverdächtige fest, darunter einen 16-Jährigen. Die Männer waren am frühen Mittwochmorgen in Birmingham von einem Autofahrer überrollt und getötet worden. Nach Angaben von Zeugen hatten sie Geschäfte ihrer Wohngegend vor Plünderern schützen wollen. Am Mittwoch war bereits ein 32-Jähriger unter Mordverdacht festgenommen worden. Am Donnerstag wurde dieser auf Kaution freigelassen. Ihm könnten aber weitere Befragungen bevorstehen.

Ein 26-Jähriger, der in der Nacht zum Dienstag angeschossen wurde, war im Krankenhaus gestorben. Der Mann war mit mehreren Schusswunden in einem Auto im Bezirk Croydon gefunden worden. Nach Angaben der Polizei waren zu dem Zeitpunkt zwei weitere Personen anwesend. Sie wurden verhaftet, weil sie Diebesgut bei sich trugen.

Ruhige Nacht zum Freitag

In Großbritannien blieb es in der Nacht zum Freitag ersten Angaben zufolge ruhig. Um neue Krawalle zu verhindern, sollen auch in den nächsten Tagen und über das Wochenende noch rund 16 000 Polizisten in London im Einsatz bleiben. Außerdem soll die Polizei mehr Spielraum im Kampf gegen Gewalttäter und Plünderer bekommen. Unter anderem sollen sie mehr rechtliche Möglichkeiten erhalten. Neben dem Einsatz von Gummigeschossen und Wasserwerfern soll die Polizei Vermummten die Gesichtsmaske abnehmen dürfen. Auch die Möglichkeit, eine Ausgangssperre zu verhängen, solle überdacht werden.

Großbritannien will der Gewalt und Gesetzlosigkeit auf den Straßen keinen Raum lassen. "Es ist für unser Land jetzt die Zeit gekommen, sich zusammenzureißen", sagte Premierminister David Cameron. Er werde vorsichtshalber prüfen lassen, ob die Polizei Unterstützung von Soldaten benötige und Straftätern der Zugang zu Internetdiensten wie Twitter und Facebook verwehrt werden könne. Er selbst teile aber die Meinung der Polizei, die nicht für einen Militäreinsatz sei, sagte Cameron am Donnerstag bei einer Krisensitzung des britischen Parlaments. Oppositionsführer Ed Miliband sicherte Cameron Unterstützung zu.

Zigtausende Menschen unterzeichneten eine Internet-Petition an die Regierung und forderten, dass Randalierer und Plünderer ihr Recht auf Sozialhilfe verlieren sollten. Cameron machte gewalttätige Straßengangs als Hauptursache für die Randale der vergangenen Tage verantwortlich. Er will nun unter höchster Prioritätsstufe ein Anti-Gang-Programm nach US-Vorbild ins Leben rufen. "Wir werden nicht zulassen, dass eine Kultur der Angst auf unseren Straßen herrscht, und wir werden alles tun, was nötig ist, um Recht und Ordnung wiederherzustellen und unsere Stadtviertel aufzubauen", sagte Cameron.

Cameron will bei Polizei weiter sparen

Cameron räumte ein, zu Beginn der Ausschreitungen sei "viel zu wenig Polizei" auf den Straßen Londons unterwegs gewesen. Dennoch will er auf seine im Zuge des Sparprogrammes geplanten Kürzungen beim Polizeietat in Höhe von 20 Prozent nicht verzichten. Die Labour-Opposition hatte gefordert, die Streichungen angesichts der Krawalle und bevorstehender Großereignisse wie Olympia 2012 in London zu überdenken. Die Polizei habe in den vergangenen Tagen bewiesen, dass es möglich sei, aus den vorhandenen Ressourcen das Maximale herauszuholen.

Die Krawalle waren am Samstag im nördlichen Londoner Stadtteil Tottenham ausgebrochen und hatten sich immer weiter ausgebreitet. Auslöser war der Tod eines 29 Jahre alten dunkelhäutigen Familienvaters, der von der Polizei erschossen worden war. Ballistische Untersuchungen ergaben, dass der Mann selbst nicht auf die Polizisten geschossen hatte. Das hatte Scotland Yard zuvor behauptet.

dpa