TV-Tipp des Tages: "Tatort: Wunschdenken" (ARD)
Eigentlich sollte der Schweizer "Tatort" bereits im Frühjahr gesendet werden, aber erst jetzt sind die Verantwortlichen mit dem Endprodukt zufrieden, das freilich etwas gemächlich daherkommt.
11.08.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Wunschdenken", Sonntag, 14. August, 20.15 Uhr im Ersten

Witz, Spannung und Lokalkolorit: Das waren die wesentlichen Elemente, die der ursprünglichen Fassung dieses ersten Schweizer "Tatorts" nach zehn Jahren Pause gefehlt haben. Zumindest begründete die Kulturchefin des Schweizer Fernsehens, Nathalie Wappler, mit dieser Kritik die kurzfristige Absetzung des Films, der eigentlich schon im April ausgestrahlt werden sollte. Außerdem war sie mit der Leistung der weiblichen Hauptdarstellerin nicht zufrieden. Und schließlich sei das vom deutschen Autor Nils-Morten Osburg gemalte Schweiz-Bild zu klischeehaft gewesen. Für die überarbeitete Version sind die entsprechenden Szenen leicht gekürzt worden.

Die Klischees wären aus Sicht der deutschen Zuschauer vermutlich das kleinste Problem gewesen; schließlich darf ein "Tatort", der in der Schweiz spielt, aus hiesiger Sicht gut und gern das eine oder andere Vorurteil bestätigen. Diverse Aufnahmen der prachtvollen Alpenregion rund um den Vierwaldstättersee sorgen daher dafür, dass die Bilderbuch-Schweiz zu ihrem Recht kommt. Ausgerechnet die einzige vorsätzliche Verschweizerung gereicht dem Film dagegen zum Nachteil: Die Schauspieler haben sich selbst neu synchronisiert und reden nun ein sehr künstlich klingendes Fernseh-Schwyzerdütsch.

Sexy Ermittlerin

All das aber ist bei einem Sonntagskrimi naturgemäß zweitrangig. Auf diesem Sendeplatz will sich das Stammpublikum in erster Linie von einer interessanten Geschichte und ansprechenden Schauspielern fesseln lassen. Zumindest in Sachen Attraktivität braucht sich der Schweizer "Tatort" nicht hinter den ARD-Produktionen zu verstecken: Hauptdarsteller Stefan Gubser ist als Mannsbild ausgesprochen sehenswert. Aber das wusste man schon, schließlich durfte Reto Flückiger, neuer Leiter der Luzerner Fachgruppe "Delikte gegen Leib und Leben", bereits mehrfach an der Seite von Klara Blum (Eva Mattes) im Bodensee-"Tatort" ermitteln.

Gemessen an der Kollegin aus Konstanz ist die Frau an seiner Seite zwar ungleich mondäner, doch sie wirkt auch irgendwie deplatziert: Die in der Schweiz aufgewachsene Sofia Milos, Tochter einer Griechin und eines Italieners, hat mit ihrem Sex-Appeal bereits diverse US-Serien geschmückt (unter anderem "CSI: Miami") und bewegt sich weitaus offenherziger durch diesen Film, als es die sittsame schweizerische Polizei erlauben würde.

Aber die mimisch eher sparsame Milos gibt als Austauschkollegin aus Chicago ohnehin bloß ein Gastspiel. Immerhin rettet Abby Lanning ihrem Kollegen am Ende das Leben, denn als die beiden Fälle, an denen Flückiger und die Amerikanerin arbeiten, geklärt zu sein scheinen, geht die Geschichte eigentlich erst richtig los. Zu Beginn des Films wird ein Mann ertrunken aufgefunden. Kurz drauf meldet eine Politikergattin die Entführung ihres Gatten. Als sich rausstellt, dass der Entführer offenbar der Tote war, beginnt für die Luzerner Polizei ein Wettlauf mit der Zeit. Die Beamten hoffen, den Politiker lebend zu finden. Aber sie kommen zu spät: Auch er ist ermordet worden, und zwar auf äußerst brutale Weise. Täter und Opfer sind tot, die Akte könnte geschlossen werden; aber Flückiger ahnt, dass noch mehr dahinter steckt.

Die Geschichte ist interessant, Gubser sehenswert, Milos zumindest sexy. Das Tempo ist allerdings überschaubar. Da hat der Schweizer Markus Imboden, im letzten Jahr für den Thriller "Mörder auf Amrum" mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet, mit seinen Provinzkrimis für das ZDF schon ganz andere Regiearbeiten abgeliefert.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).