SPD und Bahn sorgen für neuen grün-roten Stresstest
Von wegen Frieden in Stuttgart. SPD-Fraktionschef Schmiedel will den Grünen einen Ausstieg aus Stuttgart 21 endgültig vermiesen. Die Bahn vermutet politische Manöver hinter weiteren Prüfungen für das Milliardenprojekt. Es kracht gewaltig im Gebälk der Koalition.
11.08.2011
Von Henning Otte und Johannes Wagemann

Claus Schmiedel wollte sich eigentlich in Kroatien entspannen. Doch auch in den Urlaub verfolgt ihn Stuttgart 21. "Der Geißler redet den Kriegszustand her, um anschließend den Friedensengel zu spielen", echauffiert sich der SPD-Fraktionschef im Urlaub am Telefon. Gut zehn Tage hat er sich am Riemen gerissen. Mit den Grünen gab es den Deal, den Kompromissvorschlag von Schlichter Heiner Geißler erstmal im stillen Kämmerlein zu prüfen und dann im Koalitionsausschuss zu entscheiden. Doch als am Mittwoch publik wird, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) den Geißler-Plan weiterverfolgen will, platzt dem 60-jährigen SPD-Mann der Kragen. Und das direkt vor einer Koalitionsrunde zum Thema.

Er könne die Grünen nicht daran hindern, weiter auf diesem Vorschlag für einen kombinierten Kopf- und Tiefbahnhof herumzureiten. "Aber ein Projekt der grün-roten Koalition wird das nicht", stellt Schmiedel klar. Sein "Basta" ist unmittelbar vor der Telefonkonferenz der Koalitionsspitzen an diesem Donnerstag wohlkalkuliert. Schmiedel will grüne Blütenträume, Stuttgart 21 über die Kombi-Lösung noch kippen zu können, erst gar nicht aufkeimen lassen. Er verweist auf den Koalitionsvertrag, in dem ein Volksentscheid über S21 festgeschrieben ist. Und dann droht er: "Wer die Volksabstimmung infrage stellt, stellt die Koalition infrage."

"Das zerrt an den Nerven"

Auch Stuttgart-21-Sprecher Wolfgang Dietrich redet am Mittwochabend Tacheles. "Wir können nicht permanent anfangen, uns da zwischen den politischen Fronten zerreiben zu lassen", sagt er. "Wir halten das für absolut unrealistisch, dass dieses Projekt eine Chance hat. Es ist nicht nur so, dass die Bahn das nicht will. Es will keiner, außer einem Teil der Grünen." Deutlicher könnte das Signal der Bahn kaum ausfallen - so langsam reißt dem Haupt-Bauherren der Geduldsfaden. Das Hin und Her zerrt auch hier an den Nerven. Dietrich vermutet eine politische Verzögerungstaktik hinter der Prüfung der Kombilösung: "Das ist ganz bestimmt keine Befriedung."

Die Grünen-Seite wird von den klaren Ansagen überrascht. Kretschmann kehrte am Mittwoch aus seinem Wanderurlaub in Schottland zurück. Der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann guckt sich in Offenburg die Pläne für den Ausbau der Rheintalbahn an, den er für viel wichtiger hält als den Tiefbahnhof in Stuttgart. Er bleibe bei dem vereinbarten Schweigegelübde, "um die Debatte nicht zu erschweren", sagt er. Kretschmanns Sprecher Rudi Hoogvliet mahnt Schmiedel: "Einzelne Äußerungen führen nicht weiter."
 

dpa