Auf seiner vierten Sitzung hat das Berliner Bündnis "Der Papst kommt" endlich eine Lösung für die kostspielige Großdemonstration am 22. September gefunden: Jede Organisation trägt ihren Obolus bei. An besagtem Donnerstag spricht Benedikt XVI. bei seinem Staatsbesuch in Deutschland im Bundestag. Das Bündnis aus etwa 40 Organisationen, darunter Schwulen- und Lesbenorganisationen, Frauenvereine, Beratungsstellen und politische Vereinigungen, lädt zeitgleich zur Demo.
Mindestens eine fünfstellige Zahl von Demonstranten will es auf die Straße bringen. "20.000 werden schon kommen", flüstert es in den Reihen bei der Mitgliederversammlung. Jede Organisation muss jetzt nur noch die 300 Euro aufbringen, damit die Finanzierung des Zuges gesichert ist. Auf 12.000 bis 20.000 Euro werden die Kosten vor allem für Demo-Wagen, Sicherheit und Müllentsorgung geschätzt. Neben den Beiträgen der Organisationen sollen Spenden gesammelt werden. Ein Juso-Vertreter schlägt eine Soli-Party vor: "Feiern hat doch schließlich noch niemandem geschadet."
Kritik an "Menschenfeindlichkeit" der Kirche
Inhalt des Protests ist die Haltung der katholischen Kirche zu Sexualität und Frauenrechten. "Menschenfeindlich" findet das Bündnis diese. Angeprangert werden die Nicht-Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, das Kondomverbot und die Missachtung von Frauenrechten in puncto Gleichstellung und Abtreibungsverbot. Die Palette der Protest-Vertreter reicht von Christen, die in ihrer Kirche etwas verändern wollen, bis zu Atheisten, denen die Rede eines Kirchenvertreters vor einem politischen Gremium ein Dorn im Auge ist.
Um die Planung für die Aktionen zum Deutschlandbesuch Benedikts XVI. zu koordinieren, kommen die Vertreter der im Bündnis beteiligten Organisationen regelmäßig zu "Netzwerktreffen" zusammen. Das letzte Mal erschienen rund 50 Papst-Gegner in der Berliner Zentrale des DGB Berlin-Brandenburg. Auch die Gewerkschaft ist beim Protest dabei. In der vordersten Reihe sitzen Moderator, Cheforganisator, Sprecher und Protokollant - Ordnung braucht es, wenn 40 Organisationen berücksichtigt werden wollen. Kein Beschluss ist ohne Abstimmung möglich: Wer ist für welche Themen verantwortlich? Sollen Redebeiträge vorher besser gelesen werden? Sind Politiker als Redner okay?
Nur im Notfall sollen Parteienvertreter auf der Kundgebung reden, ist sich die Runde einig. Die Bühne soll den Organisationen vorbehalten sein. Eine Abstimmung fürs nächste Treffen steht indes schon fest. Das Bündnis wollte seine Demonstration am Brandenburger Tor starten lassen - in Hör- und Sichtweite des Bundestags. Daraus wird wohl nichts. Denn inzwischen steht für die Organisatoren fest, dass die Versammlungsbehörde den Schutzbereich für den Papst auf den für politische Demos inzwischen sehr beliebten Platz vor dem Tor ausdehnt und eine Kundgebung dort unmöglich macht.
Bebelplatz zu klein?
Noch beim vierten Bündnistreffen waren sich alle einig, dass im Fall einer Nicht-Genehmigung geklagt wird. "Nach Rücksprache mit Juristen sind wir aber der Auffassung, dass wir gegen den Beschluss nicht ankommen", sagt der Geschäftsführer des Christopher Street Day, Robert Kastl, der für das Bündnis die Behördengänge macht. Nun muss eine Alternative gefunden werden. Auch die Route der Demo steht infrage: Über Unter den Linden sollte es am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen vorbei zur katholischen Sankt-Hedwigs-Kathedrale am Bebelplatz gehen. "Der ist wahrscheinlich zu klein", sagt Kastl.
Bei allen offenen Fragen steht für den Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands LSVD, Jörg Steinert, aber der Charakter des Protests fest: "Bunt und friedlich soll es werden." Neben dem großen Bündnis haben auch zwei Antifa-Gruppen zum Protest aufgerufen - dem Bündnis anschließen wollen sie sich trotz ähnlicher Themen aber nicht.
Um die Inhalte seiner Kritik medienwirksam auszusenden, vermisst das Bündnis derweil noch prominente Redner für die Kundgebung. "Auch das Kulturprogramm ist noch mittelmäßig", sagt Bode Mende, Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg, auf der Sitzung. Wieder nickt die Runde eifrig. Fünf Minuten später dann der erste Vorschlag: Ein Vertreter der Giordano Bruno Stiftung sagt, er habe Kontakt zu Evolutionsbiologe und Bestsellerautor Richard Dawkins. Bode Mende juchzt: "Das wird doch! Und vielleicht hat noch jemand Kontakt zu Madonna?"