Rucksackbett soll Obdachlose schützen
Schlafkabine im Handgepäck: Ein sogenanntes Rucksackbett soll Obdachlose vor Regen und Kälte schützen. Die australische Erfindung wurde nun auch in Deutschland vorgestellt.
05.08.2011
Von Verena Schollän

Früher war Michael in der Schifffahrt tätig. Vor sieben Jahren verlor er seinen Arbeitsplatz, später auch seine Wohnung. Seither schläft er auf der Straße - bei Wind und Wetter. Manchmal gebe es auch Schwierigkeiten mit dem Ordnungsamt oder der Polizei, wenn er sich auf eine öffentliche Bank lege, sagt Michael, der in Düsseldorf lebt. Deshalb freue er sich, nun ein australisches Rucksackbett testen zu dürfen.

Michael ist zu Gast bei der Wohnungslosenhilfe der Diakonie Düsseldorf, um die australische Erfindung der Öffentlichkeit vorzustellen. Die Einrichtung "Shelter" und die Bahnhofsmission zählen zu den sozialen Einrichtungen in Deutschland, die Besuch von Mitarbeitern der australischen Wohltätigkeitsorganisation "Swags for Homeless" erhalten. Tony und Lisa Clark haben Shelter und der Bahnhofsmission insgesamt acht der tragbaren Rucksackbetten als Geschenk überlassen.

Nur zweieinhalb Kilogramm schwer

Für die australische Organisation, deren Name mit "Bettrollen für Obdachlose" oder "Beute für Obdachlose" übersetzt werden kann, hat Tony Clark das "Backpack Bed" für das Schlafen im Freien unter Extrembedingungen entwickelt. Es ist aus wetterfestem, winddichtem und schwer entflammbarem Material und bietet bis zu zwei Meter großen Menschen Schutz für die Nacht. Der 2,48 Kilogramm schwere, olivfarbene Rucksack lässt sich mit nur wenigen Handgriffen zu einem Zelt mit einer Matratze umbauen.

Für die Belüftung gibt es drei mit Moskitonetzen versehene Öffnungen, im Kopfteil befindet sich eine abschließbare Tasche für Wertgegenstände. Wegen der "rumdum durchdachten und situationsnahen Funktionalität" wurde das kompakte und leicht zu tragene Backpack dieses Jahr in Essen mit dem international anerkannten Designpreis "Red Dot" ausgezeichnet. Es sei eine große Ehre, den Preis in Deutschland zu erhalten, sagt Clark. "Wir wollen vom deutschen Sozialsystem und von den sozialen Einrichtungen in Deutschland lernen, denn hier ist die Organisation der Hilfe für Wohnunglose viel besser als in Australien", betont er.

"Ich überlegte, was ich haben wollen würde, wenn ich wohnunglos wäre", erinnert sich der Unternehmer Clark, der sich ehrenamtlich in seinem Heimatland für Menschen ohne Wohnung engagiert. Nach zwei Jahren Entwicklungszeit war das erste Produkt fertig. Und Clark ist stolz auf seine einzigartige Erfindung. Das tragbare Haus verschaffe den Menschen Menschenwürde.

Gratis für Wohnungslose

In Australien würden die Rucksackbetten gut angenommen, erklärt er. Menschen mit festem Wohnsitz können sie für umgerechnet 55 Euro kaufen und beispielweise zum Campen nutzen. An Obdachlose sollen sie verschenkt werden. Etwa 3.000 Stück sind in Australien derzeit im Einsatz. Zu welchem Preis deutsche Sozialeinrichtungen das "Backpack Bed" erwerben können, sei bislang, auch wegen der Zolleinfuhrgebühren noch offen, heißt es bei Shelter. Doch das Interesse bestehe.

Trotz zahlreicher Schlafangebote für Obdachlose in deutschen Großstädten wollen auch hierzulande viele Obdachlose nicht in einer Einrichtung die Nacht verbringen. Auch Michael kann sich ein Rucksack-Bett als Hilfe vorstellen. Doch Nicole bleibt skeptisch. "Ich weiß nicht, ob ich so was nehmen würde. Im Sommer würde es das Leben vielleicht verbessern wegen der Moskitonetze, aber im Winter würde es nichts bringen", sagte die Anfang 40-Jährige, die auch keinen festen Wohnsitz hat. Ein Rucksack-Bett schütze nur bis zu wenigen Minusgraden, ansonsten werde doch eine Isomatte erforderlich, um sich ausreichend gegen Kälte zu schützen, sagt sie.

Tagsüber halten sich beide oft in der Tagesstätte Shelter in der Düsseldorfer Altstadt auf. 120 bis 150 Besuchern pro Tag bekommen hier kostengünstige Mahlzeiten und können duschen. "Hier habe ich Freunde, kann Kaffee trinken oder Karten spielen", sagt Nicole, die schon seit 25 Jahren wohnunglos ist. Sie wuchs in einem Kinderheim auf, aus dem sie irgendwann weglief. Sie würde gerne wieder arbeiten gehen und hätte auch gerne eine Wohnung, aber: "Wenn man 25 Jahre lang auf der Platte gelebt hat, wie soll man es dann in einer Wohnung aushalten?" Für Michael bedeutet das Backpack Bed eine Verbesserung. "Wenn schon keine eigene Wohnung, dann doch wenigstens ein kleines schützendes Zelthaus", sagt er.

epd