Der Einsatz von privaten Piratenschützern ist anderswo längst gängige Praxis. Auf jedem zehnten Handelsschiff weltweit fahren laut der Gewerkschaft Verdi inzwischen bewaffnete Söldner mit. Reeder nennen noch höhere Zahlen. Dabei stellt es die Internationale Schifffahrtorganisation (IMO), ein Ableger der Vereinten Nationen, den Staaten erst seit wenigen Wochen frei, private Wachmannschaften einzusetzen.
Die IMO knüpft allerdings Forderungen daran. So müssten die Regierungen "die Bedingungen festlegen, unter denen der Einsatz bewilligt werde". Eine entsprechende Regelung hat die Bundesregierung bislang vermieden. Das deutsche Flaggen-Recht erlaubt keine privaten Hilfssheriffs an Bord, und der Kampf gegen Seeräuber ist verfassungsrechtlich eigentlich allein der Polizei vorbehalten.
Reeder und Gewerkschafter fordern Schutz, egal wie
Das könnte sich bald ändern. Der Parlamentarische Staatssekretär und Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Hans-Joachim Otto (FDP), hat einen "Prüfauftrag" an die Bundesregierung gestellt, "den Einsatz von privaten Sicherheitskräften zu prüfen", erklärte eine Sprecherin auf Anfrage. Das Ministerium sehe in Söldnern an Bord "eine Alternative", die als Zwischenlösung denkbar sei. Eine entsprechende Zertifizierung der Anbieter solle geprüft werden.
Otto hatte sich Mitte Juli mit Vertretern der Bundesregierung, des Verbandes Deutscher Reeder, Seemannsmission, Bundeswehrverband, der Gewerkschaft der Polizei und Verdi sowie Abgeordneten des Bundestages zu einem Meinungsaustausch über den "Schutz vor Piratenangriffen" getroffen. Das Gespräch knüpfte an das erste, weitgehend folgenlose Gipfel-Treffen im Januar an.
Reeder und Gewerkschafter hatten vorab die Bundesregierung gemahnt, mehr zum Schutz vor maritimer Kriminalität zu unternehmen. "Wir brauchen dringend Marinesoldaten und Bundespolizisten, die mit bewaffneten Teams auf unsere Schiffe gehen", hatte Ralf Nagel, Chef des Reederverbandes, gefordert. Eine Begleitung deutscher Schiffe durch Polizisten oder Soldaten sei jedoch logistisch unmöglich, so Otto. Dafür sei die Zahl der Schiffe zu groß. Die deutsche Flotte ist mit 4.000 Frachtern die drittgrößte der Welt. Allerdings fahren aus Kostengründen nur rund 500 unter Schwarz-Rot-Gold.
Private Sicherheitsleute an Bord gelten als effektiver Schutz
Wirtschaftlich ist Piraterie ein wachsender Kostenfaktor: Versicherungsprämien steigen, Ausweichrouten verlängern die Fahrzeiten und Sicherheitsvorkehrungen wie gepanzerte "Panikräume" und Sicherheitstraining der Seeleute kosten. Schon jede dritte Reederei wurde von See-Gangstern überfallen. Die Internationale Transporterarbeitergewerkschaft spricht von 400 durch Piratengangs entführten Seeleuten allein in Somalia. Aber auch ohne Überfall trifft Piraterie vor allem die Seele der Mannschaften, die die gefährdeten Routen vor Afrika und Asien befahren.
Die deutschen Reeder glauben, so ergab eine Umfrage der Beratungsgesellschaft PWC, dass Piraten gewalttätiger geworden sind. Zudem hätten Lösegeldzahlungen das Problem noch zugespitzt. Finanzprofis nutzen die frühere Armutskriminalität und dirigieren aus London oder Paris ihre Pirateneinsätze. Aus Sicht der deutschen Reeder sei es daher "alternativlos", sagt PWC-Experte Claus Brandt, die Piraten-Bekämpfung "in professionelle Hände zu legen": 27 Reedereien setzen bereits bewaffnete private Sicherheitsdienste ein, weitere sechs Reedereien unbewaffnete Wachleute. Es soll noch kein Schiff mit Söldnern an Bord zu Schaden gekommen sein.
Auch deutsche Firmen könnten mitmachen
Rolf Uesseler, Autor des Standardwerkes über private Militärfirmen ("Krieg als Dienstleistung"), befürchtet, das sie "die Demokratie zerstören" könnten, und die Gewerkschaft Verdi hält private Piratenjäger eher für einen Teil der "Ausweitung des Problems". Letztlich könne das Problem der Piraterie "nicht auf See, sondern nur an Land gelöst werden", so Verdi-Experte Dieter Benze.
Im privaten Marinegeschäft tummeln sich internationale Größen, wie die unter dem Namen Blackwater bekannt gewordene US-Sicherheitsfirma Xe, aber auch deutsche Unternehmen wie Eubsa und International Security Network (ISN). Die GmbH aus dem badischen Rheinmünster wirbt mit einem kürzlich erfolgten Besuch des Ex-Generals Ulrich Wegeners. Der frühere Chef der Spezialpolizeieinheit GSG 9 soll sich von der "taktischen und strategischen Leistungsfähigkeit" beeindruckt gezeigt haben, innerhalb von 48 Stunden könne ISN Einsatzkräfte und ihr üppiges Equipment weltweit einsetzen. Im Regelfall beginnen und enden solche Einsätze auf hoher See. Denn kaum eine Hafenbehörde sieht Bewaffnete gerne an Bord.
Hermannus Pfeiffer ist freier Wirtschaftsjournalist in Hamburg.