Kinder in Deutschland: So lebt eine "arme" Familie
Kein Geld für Urlaub und keine Zeit zum Arbeiten: Gerade Alleinerziehende, die ihre Kinder betreuen müssen, haben es schwer. Jeder Euro muss mehrfach umgedreht werden. Unsere Beispielfamilie - eine Mutter mit drei Töchtern - hat 800 Euro im Monat zur Verfügung.
03.08.2011
Von Corinna Pfaff

In den Ferien mal richtig verreisen, so wie andere Kinder - das ist der Wunschtraum der drei Töchter von Petra Siebert* (Namen geändert). "Ein paar Tage bei der Oma in Thüringen, mehr ist einfach nicht drin", sagt die 41-jährige Alleinerziehende aus Schwerin. Ihre zehnjährige Tochter Kati* meint: "Bei Oma war es zwar schön. Aber es wäre schon schöner, wenn wir vier zusammen auch mal richtig in den Urlaub fahren könnten."

Nicht die einzige Enttäuschung. In kaum einer anderen Stadt in Deutschland ist Kinderarmut so verbreitet wie in Schwerin. Mit Beginn des neuen Schuljahres will Kati mit ihrer siebenjährigen Schwester einen Judo-Kurs beginnen. "Das geht aber nur, wenn dafür die Unterstützung aus dem "Bildungspaket" kommt", sagt die Mutter. In ihrer Stimme schwingt Skepsis mit.

Schrankwand für 20 Euro

"Ein Antrag auf Zuschuss für einen Schulausflug im Mai ist bis heute nicht beantwortet worden. Die 15 Euro dafür habe ich dann irgendwo selbst abgeknapst", sagt Petra. Wenn etwas mehr koste, müsse sie einfach Nein sagen. "Viele von meinen Schulkameraden haben Nintendo-Spiele. Aber da hat Mama gleich gesagt, dass das nicht drin ist", sagt die Zehnjährige und kann die Enttäuschung nur schwer verbergen. "200 Euro für ein Spielzeug. Das geht nicht. Unsere Schrankwand habe ich für 20 Euro gekauft", sagt die Mutter.

Dafür freuen sich die Mädchen aber über ihre neue Wohnung, in der jedes Kind nun ein eigenes Zimmer hat. "Früher hatten die beiden Großen jeweils Acht-Quadratmeter-Zimmer, und die Kleine schlief bei mir", berichtet die Mutter. Doch dem Umzug ging ein langer Kampf voraus. "Weil die Wohnung gerade einen Quadratmeter über dem Limit lag, wollte uns die Behörde nicht umziehen lassen", erzählt Petra. Ein Gericht entschied schließlich zugunsten der Familie.

Die wohnt nun im Schweriner Plattenbaugebiet Dreesch. Bis zur Wende ein beliebter Wohnort, gilt das Viertel heute als sozialer Brennpunkt der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns. Laut Statistik leben in Schwerin mehr als 35 Prozent der Kinder unter 15 Jahren in Familien, die ihr tägliches Auskommen mit staatlichen Zuwendungen aus Hartz IV bestreiten müssen. Im Bundesdurchschnitt sind es 15 Prozent.

Zum Leben bleiben 800 Euro

Petra Siebert ist gelernte Tierpflegerin und hatte auch einen Job in Thüringen. Nach der Trennung von ihrem Mann kam sie mit zwei Töchtern zurück nach Mecklenburg. Hier wurde vor fast zwei Jahren ihr jüngstes Kind geboren. Arbeit fand sie seitdem nicht mehr. Sie hätte Jobs als Putzfrau oder Küchengehilfin angenommen. "Aber morgens um drei Uhr zur Arbeit fahren oder an den Wochenenden, das geht einfach nicht, wenn man sich allein um die Kinder kümmern muss", sagt sie.

Petra bekommt Unterhalt, Hartz IV, Kindergeld und Wohngeld. Zum Leben blieben ihr rund 800 Euro, Lebensmittel, Kleidung und Schulsachen inklusive. "Kindersachen kaufe ich aus zweiter und dritter Hand, und jetzt suche ich im Schlussverkauf nach T-Shirts, die es da für 2,50 Euro gibt", sagt sie. "Rechnen muss ich ständig."

dpa