Assad und seine Brüder: Syrischer Clan an der Macht
Wie lange kann ein Gewaltstaat Krieg gegen die eigenen Bürger führen? Noch kann sich Präsident Assad an der Macht halten, noch verfügt sein Regime über Kampfkraft - und letzte Groschen politischen Kapitals.
02.08.2011
Von Gregor Mayer

Mit großem Aufwand unterdrückt das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad die Bürgerbewegung, die den Wandel im Land will. Immer wieder rücken Kampfpanzer in die Städte ein, kommt es zu schrecklichem Blutvergießen. Viele fragen sich: Wie lange kann eine Gewaltherrschaft das durchhalten?

Syrien ist eine Familien-Diktatur der Sicherheitsapparate. Assad erbte das System von seinem Vater Hafes, der vor elf Jahren starb. Es stützt sich auf Geheimdienste vom Ostblock-Typ, auf die Armee und ihre Sondereinheiten, auf die Kampftruppe der herrschenden Baath-Partei und auf die mafia-artigen Schabiha-Milizen. In deren Spitzenpositionen sitzen nahezu überall Alawiten, meist mit verwandtschaftlicher Bindung an die Assad-Familie.

Die Alawiten sind eine schiitische Sekte, deren Angehörige zwölf Prozent der Landesbevölkerung stellen. Sie sind vor allem im Nordwesten des Landes, im Hinterland der Hafenstädte Latakia und Aleppo, zu Hause. Ihre religiöse Doktrin - sunnitische Mainstream-Muslime blicken oft abschätzig auf sie herab - spielt in der Macht-Anatomie Syriens keine Rolle. Alawit zu sein, bedeutet vielmehr eine Herkunftsbestimmung, eine Clan-Zuordnung.

Assads Verwandte auf wichtigen Militärposten

Je näher jemand mit den Assads aus dem Ort Kardaha bei Latakia verwandt ist, desto zwingender sind seine Aufstiegschancen im Sicherheitsapparat. Der Präsidentenbruder Maher al-Assad befehligt die Eliteeinheiten der Armee: die Republikanische Garde und die 4. Panzerdivision. In Wahrheit ist er die eiserne Faust des Regimes, unmittelbar zuständig für die blutige Unterdrückung der Opposition.

Assads Schwager Assef Schawkat ist Vize-Kommandeur der Armee und war davor Geheimdienst-Chef. Diverse Cousins dirigieren die Stasi-Dienste. Ihre Schergen dürfen ungestraft Menschen einsperren und foltern. Die gefürchteten Schabiha-Milizen kommen aus dem Schmuggler- und Kriminellenmilieu des Hinterlands von Latakia. Auch sie haben den Freibrief für das Töten und Plündern.

Der alawitische "Überbau" mag bei vielen Sunniten Ressentiments erwecken. Doch familiäre Loyalitäten, Hierarchien, wechselseitige Überwachung und Disziplin schweißen diese Apparate um den Präsidenten zusammen. Zugleich wird die Bevorzugung der Alawiten nicht übersteigert.

Christen hoffen auf staatlichen Schutz

Jenseits des Machtkerns kann jeder Syrer, der sich politisch einigermaßen anpasst, Karriere machen. Die rund zehn Prozent Christen stehen noch eher zum Regime, weil sie Chaos oder eine islamistische Machtübernahme befürchten. Sie haben das Schicksal ihrer Glaubensgenossen im benachbarten Irak vor Augen. Diese waren nach dem Zerfall der staatlichen Ordnung im dortigen Vielvölker-Staat schutzlos dem Terror ausgeliefert.

Assad war, als die Proteste gegen ihn Mitte März ausbrachen, in seinem Land weniger unbeliebt als die Despoten Tunesiens, Ägyptens oder Libyens. Er hatte den Syrern zwar keine politischen Reformen gebracht, aber das Land für einen gewissen Konsum-Kapitalismus geöffnet. Vor allem Angehörige der urbanen Mittelklasse verbinden mit seiner Herrschaft die Einführung von Mobiltelefonie, Internet und Autoerwerb auf Ratenzahlung. Die Beschwörung von "Stabilität" und die gegen Israel gerichtete Außenpolitik trugen weiter zur relativen Popularität des autoritären Präsidenten bei.

Im Ramadan noch mehr Bürgerkrieg?

Auch darauf kann sich das Regime in seinem Überlebenskampf noch stützen - und es mag erklären, warum es in den beiden größten Städten Damaskus und Aleppo bislang noch zu keiner Massenrevolte kam. Schließlich dürfte auch noch der Iran aushelfen, Syriens strategischer Partner in der Region, den Assad gleichfalls vom Vater geerbt hat. Das Mullah-Regime schickt Ausbildner für die Sicherheitskräfte und Technik zur Überwachung des Internets, vermuten westliche Geheimdienste.

Das Regime in Damaskus scheint noch einen langen Atem zu haben. "Es hat noch eine Menge Kampfkraft und Ausdauer", meint der Analyst Paul Salem von der Carnegie-Stiftung in Beirut. Aber auch die Opposition zeige keine Anzeichen, das Handtuch werfen zu wollen.

Am Montag begann der Ramadan, der heilige Fastenmonat der Muslime. Die Regimegegner hatten schon zuvor angekündigt, ihre Aktivitäten zu verstärken. "Das wird noch vehementer an Zustände heranführen, die einem Bürgerkrieg ähneln", so Salems illusionslose Einschätzung.

dpa