Einen solchen Rummel hatte Heinz-Friedrich Harre nicht erwartet. Als er am 1. August 2001 um 8.20 Uhr in grauem Anzug und roter Krawatte das Trauzimmer im Alten Rathaus von Hannover verließ, drängten sich dort bereits die Fotografen und Kameraleute. "Der ganze Flur war voller Pressemenschen, wir waren sprachlos." Harre und sein Lebenspartner Reinhard Lüschow waren vor zehn Jahren das erste homosexuelle Paar in Deutschland, das nach dem damals neuen Lebenspartnerschaftsgesetz im Standesamt den "Bund fürs Leben" schloss. Am 1. August 2001 trat das Gesetz nach zähem politischen Ringen in Kraft.
Heute leben sie gemeinsam in einer gepflegten Dreizimmer-Wohnung in Hannovers Süden mit Antik-Schränken, Couch und Andy-Warhol-Poster und blicken zufrieden auf ihren "Hochzeitstag" zurück. "Wir kamen uns ein bisschen wie Sieger vor", erzählt Harre (58). Zehn Jahre lang hatten sie bis dahin um ihre rechtliche Gleichstellung als Paar gekämpft. Schon 1992 bestellten sie demonstrativ beim Standesamt das Aufgebot. Als ihnen die Ablehnung ins Haus flatterte, klagten sie sich hoch bis zum Bundesverfassungsgericht.
"Jetzt machen wir es"
Das Gericht stellte zwar fest, das die Ehe per Definition eine Sache zwischen Mann und Frau sei. Doch zugleich verpflichtete es den Gesetzgeber, dafür zu sorgen, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht diskriminiert werden. Als der Bundestag dies umsetzte, reagierten sie sofort: "Wir haben gleich gesagt: Jetzt machen wir es", erinnert sich Lüschow (50), der als Beamter bei der Oberfinanzdirektion arbeitet.
Harre und Lüschow am 1. August 2001 vor dem Standesamt in Hannover. Foto: epd-bild/Dethard Helbig
Er selbst war in früheren Jahren mit einer Frau verheiratet, doch die Ehe ging in die Brüche. Für den Verwaltungsangestellten Harre ist es die erste Partnerschaft, die offiziell besiegelt wurde. Am Anfang gingen ihm die Worte "mein Mann" noch schwer über die Lippen, sagt Lüschow. "Inzwischen ist das aber ganz normal."
Rund 20.000 homosexuelle Paare haben sich in Deutschland mittlerweile das Ja-Wort gegeben, berichtet Manfred Bruns (77), früherer Bundesanwalt in Karlsruhe und Jurist des Lesben- und Schwulenverbandes. Das ist jede dritte bis fünfte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft - allerdings schwankt hier die Statistik. Einige haben sich schon wieder scheiden lassen, doch auch hierfür gibt es noch keine verlässlichen Zahlen.
Nachteile im Steuer- und Adoptionsrecht
Bruns spricht von einer großen Erfolgsgeschichte: "Homosexuelle Partnerschaften sind der Ehe inzwischen praktisch gleichgestellt." Das kostete jedoch viel Kraft: "Es war ein wahnsinnig mühsames Geschäft mit vielen Niederlagen." Eine Fülle von Gerichtsurteilen hat die Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren immer weiter vorangetrieben. So können sich gleichgeschlechtliche Partner heute im Todesfall Vermögen vererben, ohne horrende Steuern dafür zahlen zu müssen.
Zwar können sie weiterhin nicht gemeinsam Kinder adoptieren, und bei der Einkommensteuer werden sie wie Ledige behandelt. Aber auch dafür liegen bereits Musterklagen beim Bundesverfassungsgericht vor. Bis zu seinem 80. Geburtstag will Manfred Bruns erreicht haben, dass der Gesetzgeber die traditionelle Ehe für Homosexuelle öffnet - so wie zehn andere Länder, zum Beispiel Spanien, Kanada oder Südafrika.
Zum zehnten Jahrestag der homosexuellen Lebenspartnerschaft haben sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Grünen-Spitzenpolitiker für die volle rechtliche Gleichstellung ausgesprochen. Auch die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, forderte die Gleichstellung mit der Ehe. Lesbische und schwule Paare sollten unter anderem das volle Adoptionsrecht erhalten, sagte Lüders. Es brauche keine Ehe zweiter Klasse für Homosexuelle.
Schwule Cheerleader vor dem alten Rathaus
Auch Heinz-Friedrich Harre und Reinhard Lüschow kämpfen weiter. Gegen Steuerbescheide. Und für Riester-Rente, Gehaltszuschläge und gemeinsame Bausparverträge. An ihrem zehnten "Hochzeitstag" wollen sie feierlich essen gehen. Für seine eigene Familie wurde die "Hochzeit" damals zu einem Neuanfang, erzählt Lüschow. Sie bewegte sogar seinen sehr skeptischen Vater, mit ins Trauzimmer zu kommen. "Das war eine echte Stunde Null."
Natürlich sei es ein romantischer und ergreifender Augenblick gewesen mit den Bräutigam-Sträußen, gebunden aus roten Rosen und weißen Lilien. Mit den schwulen Cheerleaders in golden glitzernden Kostümen vor dem Alten Rathaus, den bunten Luftballons und der Hochzeitstorte, die Freunde für sie besorgt hatten. Genauso wichtig war für sie aber etwas sehr Nüchternes: "Dass wir diese Urkunde haben", sagt Harre. "Wir haben es schriftlich vom Staat. Das kann uns keiner mehr nehmen."