Am 22. Februar 2010 fanden Kinder in Laos in einem Reisfeld einen Apparat, der wie eine Ananas aussah. Eine Ananas aus Metall. Sie nahmen das Fundstück mit in eine Stelzen-Hütte nahe dem Dorf Ban Noundeng Nue und spielten damit. Bis die Ananas explodierte. Fünf Kinder starben, ein sechstes wurde verletzt, wie es Menschenrechtler dokumentierten. Das tödliche Spielzeug war in Wahrheit eine amerikanische Streubombe vom Typ BLU-3 - eine Hinterlassenschaft des Vietnamkriegs der 60er und 70er Jahre.
Nur wenige Monate, nachdem der Blindgänger die Kinder von Ban Noundeng Nue zerfetzte, trat das Übereinkommen über das Verbot von Streumunition in Kraft: Am 1. August 2010. Heute, ein Jahr später, werten Regierungen und Experten die Konvention als einen großen Schritt in die richtige Richtung.
Abkommen kann "gewaltiges Leiden unter Zivilisten verhindern"
Adnan Mansour, der libanesische Außenminister, lobt: "Die Konvention gibt Opfern eine Stimme und reicht Überlebenden die Hand der Hilfe." Mitte September findet die zweite Vertragsstaatenkonferenz in Beirut statt. Auch der Libanon leiden unter todbringenden Rückständen von Streumunition.
Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Jakob Kellenberger, betont: Das Abkommen könne "gewaltiges Leiden unter Zivilisten verhindern". Rüstungsgegner schätzen, dass in der Tat vor allem die Zivilbevölkerung getroffen wird: Mehr als 90 Prozent der über 14.000 verstümmelten und getöteten Opfer der Streumunition trugen keine Uniform.
[listbox:title=Mehr im Netz[Bündnis mehrerer Hilfswerke##Übereinkommen über das Verbot von Streumunition]]
"Die Streumunition ist auch deshalb so gefährlich, weil die Blindgängerrate extrem hoch ist", betont das Bündnis Landmine.de, in dem mehrere Hilfswerke zusammenarbeiten. Und die Munition ist schwer erkennbar. Streumunition wird in Containern von Artilleriegeschützen und Militärflugzeugen abgeschossen. Nach dem Öffnen der Behälter verteilen sich Hunderte kleiner Bomben auf bis zu 30.000 Quadratmetern.
"In über 20 Ländern sind heute ganze Landstriche, die mit nicht explodierter Munition übersät sind, so gefährlich wie Minenfelder", warnt das Rote Kreuz. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurde Streumunition in etwa 40 Ländern und Territorien verwendet. Besonders eifrig verschossen sie die Amerikaner: Vom Vietnamkrieg über den Golfkrieg zu Beginn der 90er Jahre bis hin zum Krieg in Afghanistan 2001/2002. Vor drei Jahren bekriegten sich noch Russen und Georgier mit Streubomben. Der jüngste Fall: Die Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi setzten Streumunition in Misurata ein.
Überlebende können auf Hilfe hoffen
Im Kern enthält die Konvention ein weitgehendes Verbot der Streumunition. Die Vertragsstaaten ächten den Einsatz, die Entwicklung, die Produktion, die Lagerung und die Weitergabe der meisten solcher Sprengsätze. Streitkräfte sollen innerhalb von acht Jahren ihre Bestände zerstören. Auch müssen die gefährlichen Rückstände geräumt werden.
Überlebende können auf Hilfe hoffen: Die Staaten verpflichten sich, den Opfern medizinischen und psychologischen Beistand zu leisten. Bis Ende Juni 2011 haben 109 Staaten das Abkommen unterzeichnet, 59 davon haben es bereits ratifiziert und somit in nationales Recht umgesetzt, darunter Deutschland.
"Insgesamt sind es noch zu wenige Vertragsstaaten", kritisiert Thomas Nash von der Anti-Streumunition-Koalition CMC. Denn 53 Länder, die über Streubomben verfügten, seien der Konvention bis heute ferngeblieben. Die prominentesten Außenseiter sind die USA, Russland und China. Das US-Verteidigungsministerium bezeichnet Streumunition als "legitime Waffen mit klarem militärischem Nutzen". Immerhin verbieten die Amerikaner den Export fast aller Sprengkörper. Und sie wollen ab 2018 die Munition nur noch beschränkt verwenden.
Kritiker weisen auch auf die Ausnahmen in der Konvention hin. Sprengkörper, die sich elektronisch selbst vernichten oder deaktivieren können, bleiben von dem Verbot unberührt. Aber vor allem die Blindgänger sind eine tödliche Gefahr. Die Kinder in Ban Noundeng Nue werden leider nicht die letzten Opfer von Streumunition sein.