Theologe Hermelink kritisiert das "Hirtenbarometer"
Die Internetplattform "Hirtenbarometer" ermöglicht es, Pastoren und Pastorinnen in ihrer Arbeit zu bewerten. Der Theologe Jan Hermelink spricht dem Internetportal seine Nützlichkeit ab - Feedback müsse von Kollegen und Experten kommen.
31.07.2011
Von Brigitte Vordermayer

Der Theologieprofessor Jan Hermelink hält es für schwierig, Pfarrer nach einheitlichen Qualitätskriterien zu bewerten. "Der Pfarrerberuf ist dem Künstlerstand in dieser Hinsicht näher als dem Wirtschaftsmanager", sagte der Professor der Universität Göttingen dem epd. Denn was gute Seelsorge- und Gottesdienstarbeit ist, sei oftmals subjektiv und kompliziert zu messen.

Internetangebote wie die Bewertungsplattform hirtenbarometer.de, auf der Gemeindeglieder die Arbeit ihrer "Hirten" öffentlich kritisieren können, sind nach seiner Ansicht deshalb wenig konstruktiv. Außerdem gingen sie am lokalen Wirkungskreis von Pfarrern vorbei.

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Als Personen des öffentlichen Lebens müssten sich Pfarrer natürlich Kritik gefallen lassen. "Und sie findet bereits statt, ob an der Wursttheke oder am Stammtisch", sagte Hermelink, der Praktische Theologie lehrt. Er betonte, dass die Pfarrer sich diese Rückmeldung auch wünschen. Dennoch sei es oft selbst für Experten schwierig, seelsorgerliche Arbeit oder Gottesdienste zu bewerten, weil es wenige Standards und Ergebnisse gebe, die sich so deutlich auswerten ließen wie Bilanzen und Haushaltsabschlüsse in der Wirtschaft.

"Ich glaube nicht, dass ein Pfarrer viel damit anfangen kann"

Bewertungen auf hirtenbarometer.de sind Hermelink zufolge eher oberflächlich und wenig konkret. "Ich glaube nicht, dass ein Pfarrer viel damit anfangen kann", sagte er. Sehe man von Kirchenstars wie dem Papst oder Margot Käßmann ab, gebe es dort für Durchschnittspfarrer nur wenige Kommentare. "Auf keinen Fall repräsentieren sie den lokalen Raum, in dem ein Pfarrer in seiner täglichen Arbeit verortet ist", sagt Hermelink. Zumindest derzeit sei der Großteil der Gemeindeglieder zu wenig auf solchen Internetseiten vertreten, um relevante Ergebnisse ablesen zu können.

Die Bedeutung von Rückmeldung und Auswertung wächst dem Theologieprofessor zufolge nicht nur im Internet, sondern auch in der Wissenschaft. "Ob das jedoch eine Modeerscheinung ist oder sich dauerhaft durchsetzen wird, bin ich unsicher", sagte er. Vor allem im Seelsorgebereich werde bereits sehr differenziert und vielfältig evaluiert. Aktuell gehe der Trend dahin, das auf Gottesdienste auszuweiten. Das Zentrum für Qualitätsentwicklung im Gottesdienst in Hildesheim sei dafür das beste Beispiel.

"Der Bewertete bekommt die Kritik in einem geschützten Raum zu hören, dort wird sich intensiv damit auseinandergesetzt", erläuterte Hermelink konstruktive Beurteilungsformen in der Aus- und Fortbildung von Pfarrern. Das Feedback komme dann nicht "von außen", sondern von Kollegen und Experten. Das helfe, Kritik anzunehmen und sei deshalb deutlich wirkungsvoller als anonyme Internetportale.

epd