Schmerzensgeld für Mörder Magnus Gäfgen?
Fast neun Jahre nach dem Mord am Frankfurter Bankierssohn Jakob von Metzler hat sein Mörder Magnus Gäfgen gute Aussichten auf Schmerzensgeld. Grund sind die illegalen Folterdrohungen der Polizisten, die damals den entführten Elfjährigen retten wollten.
31.07.2011
Von Christian Ebner

Wie ein Bumerang kehrt der Fall Magnus Gäfgen immer wieder zur Frankfurter Justiz zurück. An diesem Donnerstag (4. August) steht die Entscheidung an, ob der inzwischen 36 Jahre alte Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler vom Land Hessen Schmerzensgeld für psychische Spätfolgen erhält, die auf ein Polizeiverhör vom 1. Oktober 2002 zurückzuführen sein sollen.

Mit unerträglichen Schmerzen hatte Frankfurts Vize-Polizeipräsident Wolfgang Daschner damals den leugnenden Entführer bedrohen lassen, um am vierten Tag der Entführung endlich das Versteck der Geisel zu erfahren. Als Gäfgen schließlich auspackte, konnten die Beamten nur noch Jakobs Leiche aus einem osthessischen Tümpel bergen. Ein Verbrechen, das seine gesellschaftliche Bedeutung aber vor allem aus der sich anschließenden Debatte um die polizeilichen Folterdrohungen bezieht.

Lebenslang in Haft, aber immer wieder vor Gericht

Viele Menschen, darunter Politiker und Jura-Professoren, unterstützten Daschners Vorgehen, der seine Drohungen in einer Akten-Notiz selbst öffentlich gemacht hatte. Das Urteil des Rechtsstaats fiel anders aus. Daschner und der von ihm beauftragte Vernehmungsbeamte wurden wegen Nötigung verurteilt, Strafen wurden ihnen aber nur angedroht, ihre Polizeikarrieren gingen weiter.

Fast hätten die Drohungen, die selbst bereits als Folter zu werten waren, eine Verurteilung des aus Habgier handelnden Mörders verhindert. Der wiederholte glücklicherweise sein Geständnis vor Gericht und erhielt eine lebenslange Haftstrafe. Den juristischen Kampf gegen die Polizei und das Land Hessen gab der Jurist mit erstem Staatsexamen aber nie auf: Bundesgerichtshof, Bundesverfassungsgericht, gleich zweimal der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, gescheiterte Wiederaufnahme - immer wieder reizte er alle juristischen Mittel aus.

Zuletzt hat er Daschner wegen angeblicher Falschaussage angezeigt, als es um mögliche Mitwisser im hessischen Innenministerium ging. Der pensionierte Polizist hatte den damaligen LKA-Chef Norbert Nedela als ständigen Ansprechpartner im Entführungsfall Metzler genannt, was im deutlichen Widerspruch zu dienstlichen Erklärungen Nedelas steht. "Das muss vor einer Entscheidung dringend aufgeklärt werden", sagt Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer.

Gäfgen könnte den Prozess gewinnen

Auf einem Nebenschauplatz hatte Gäfgen Erfolg: Er erstritt Prozesskostenbeihilfe für den Zivilprozess gegen das Land Hessen. 10.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz in unbenannter Höhe verlangt er vor der Zivilkammer. Die Chancen stehen nicht schlecht. Schon die Beihilfeentscheidung zeigt, dass die Justiz einen Erfolg für möglich hält. Auch wird die Drohung als Fakt nicht bestritten.

Unklar sind hingegen ihre Folgen: Der Münchner Rechtspsychiater Norbert Nedopil vermochte nicht sicher zu sagen, ob Gäfgens psychische Probleme ausschließlich in dem harten Verhör wurzeln. Immerhin sei seine Lebenslüge zusammengebrochen, die Lebensperspektive zerstört, und er habe den Tod seines elf Jahre alten Opfers miterlebt. Das alles könne zusammengewirkt haben.

Gäfgen zeigte im Prozess Gedächtnislücken, als es um den Mord ging. Die polizeilichen Verhörmethoden allerdings gab er detailliert wieder: Schläge mit dem Handrücken, angedrohte Vergewaltigungen im Knast und ein Hubschrauberflug, bei dem so allerlei passieren könne.

"Immerhin ist er nicht in Tränen ausgebrochen", kommentierte ein Besucher. Dass auch ein Mörder und Kindesentführer Rechte hat, mochten viele Prozessbeobachter nicht so recht akzeptieren. "Der braucht kein Schmerzensgeld, dem müssen Schmerzen zugefügt werden", sagte ein älterer Mann in einer Verhandlungspause.

dpa