Imame in Deutschland kämpfen gegen Vorurteile
Gut vier Millionen Muslime leben in Deutschland, von Montag an begehen sie den Fastenmonat Ramadan. Zur Mehrheitsgesellschaft haben die islamischen Gläubigen noch immer kein unbeschwertes Verhältnis. Vorurteile und Misstrauen sind weit verbreitet. Die Politik will Defizite bei der Integration im Dialog aufarbeiten. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Imame.
29.07.2011
Von Yuriko Wahl-Immel

Wo sich heute Muslime zum Gebet versammeln, rollten vor einigen Jahren noch Kegelkugeln. In der Moschee des Islamischen Kulturvereins Bochum, einst ein Wohnhaus mit Gaststätte, erklärt Imam Ahmad Aweimer Jugendlichen den Alltag in seiner Gemeinde mit 1.000 Familien. "Hier in der Gebetsnische steht der Imam als Vorbeter." Die Holzkanzel, ein geschmückter Hochstuhl mit drei Treppen, sei fürs Freitagsgebet reserviert. "Die Predigt ist bei uns immer auf Arabisch und auf Deutsch." Die meisten Schüler kommen zum ersten Mal in eine Moschee, hören, dass Muslime fünf Mal täglich beten müssen, eine Mekkawallfahrt unternehmen sollen - und fasten.

Am Montag beginnt der Fastenmonat Ramadan. Imam Aweimer: "Nach Sonnenaufgang ist kein Essen oder Trinken erlaubt, auch nicht Rauchen oder Sexualverkehr." Die Kids kichern. "Frauen beten eine Etage höher." In kleinen Moscheen mit nur einem Raum sitzen sie hinten. "Warum müssen die Frauen hinten beten?" fragt eine junge Besucherin. "Weil Männer und Frauen nicht zusammen beten können, das geht nicht, das ist richtiger Körperkontakt", sagt der Imam. "Aber dann könnten doch die Frauen rechts und die Männer links sitzen", flüstert das Mädchen ihrer Freundin zu.

Vorurteile auf beiden Seiten

Aweimer betreut in Bochum und in Dortmund eine muslimische Gemeinde als "Teilzeit-Imam", der 54-Jährige ist selbstständiger Grafiker. "Meine Funktion hier ist vergleichbar mit der eines Pfarrers oder eines Rabbiners. Und die Integrationsarbeit ist uns wichtig. Denn es gibt noch immer Vorurteile und Dialogverweigerer. Auf beiden Seiten." Er setzt auf die Jugend. "Ein positiver erster Kontakt ist viel wert. Dazu laden wir gern in die Moschee ein. Die Kinder dürfen auch mal auf die Kanzel steigen und Imam spielen."

In das Zusammenleben von gut vier Millionen Muslimen - die Hälfte von ihnen hat einen deutschen Pass - und der Mehrheitsgesellschaft mischen sich auch Misstrauen, Spannungen, Ängste. Integrationsprobleme will die Berliner Islamkonferenz angehen: Seit fünf Jahren treffen sich Bundesregierung und Muslime zu einem schwierigen Dialog. Imam Aweimer sieht auch auf muslimischer Seite Versäumnisse, Unwissen, Desinteresse - und gefährliche Radikale. "Aber selbst mit radikalen Muslimen sollte die Politik den Dialog mit Respekt wagen. Abgrenzung und Ablehnung sind immer falsch", glaubt er. "Wir Muslime kämpfen auch gegen Vorurteile. Viele glauben, wir sind alle Pierre Vogel." Der radikale Salafist schade dem Islam und den Muslimen.

Ein moderner Brückenbauer

Aweimer, der seit 38 Jahren in Deutschland lebt, sieht sich als "modernen Brückenbauer". Die Muslimin und frühere SPD-Politikerin Lale Akgün hält die Mehrheit der Imame hierzulande allerdings für "stramm konservativ" und kaum interessiert an einer Integration, wie sie in ihrem vor kurzem erschienenen Buch "Aufstand der Kopftuchmädchen" schreibt. Aweimer hofft auf die neue Ausbildung von Imamen in Deutschland - in Münster, Osnabrück und Tübingen. "Es wird noch einige Zeit dauern, bis da die ersten Imame herauskommen, aber sie werden den muslimischen Gemeinden und der Integration sehr nutzen. Natürlich ist es falsch, Imame nur für ein paar Jahre nach Deutschland zu schicken."

Dem Thema Bildung und der Jugend kommen große Bedeutung zu, betont Aweimer: "Wir müssen unsere Kinder festigen, auch um sie nicht von radikal Denkenden beeinflussen zu lassen." Dazu biete seine Gemeinde auch Ethikunterricht an, kooperiere mit christlichen Einrichtungen und pflege einen engen Austausch mit vielen Schulen. Die hitzige Debatte ums Kopftuch stört ihn, auch der Streit um Moscheebauten wie aktuell in Köln: "Integration ist, wenn Immigranten ein Gefühl von Heimat aufbauen können. Dazu gehört, dass wir Moscheen bauen dürfen. Können wir unsere Religion nicht praktizieren, fühlen wir uns wie ungebetene Gäste."

dpa