Nach den Anschlägen in Norwegen warnt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vor der Gewaltbereitschaft rechtsextremer Autonomer in Deutschland. Zwar nehme die Zahl der Mitglieder rechtsextremer Gruppierungen ab, dafür steige die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten, sagte er der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe): "Sorgen machen mir insbesondere die 'nationalen Autonomen'". Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hält die Anschläge für eine Folge wachsender Islamfeindlichkeit in Europa.
Friedrich betonte, eine rechtsextremistisch motivierte Tat in Deutschland nach dem norwegischen Muster lasse sich nie ausschließen. Auch bei intensiver Beobachtung extremistischer Szenen könnten sich Einzelne unbeobachtet radikalisieren. Zu den "nationalen Autonomen" gehören laut aktuellem Bericht des Bundesverfassungsschutzes etwa 1.000 Personen. Dies seien zumeist jugendliche Neonazis, die im Auftreten bewusst auf das Vorbild der politisch linken autonomen Bewegung zurückgreifen.
"Breivik ist auch kein Rechtsradikaler üblichen Zuschnitts"
Auch im Ausland wird über Maßnahmen gegen Rechtsextremismus debattiert: Premierminister David Cameron hatte angekündigt, Großbritannien überprüfe nach den Attentaten die Sicherheitslage im eigenen Land. Unter anderem sollten gewaltbereite Rechtsextreme noch stärker in den Fokus rücken. Die polnische Linke rief unterdessen die Regierung in Warschau auf, den Kampf gegen rechtsextreme Gruppierungen im Internet zu verstärken. Internetseiten von "Redwatch Polska" oder "Blood and Honou" seien weiterhin zugänglich, obwohl sie längst geschlossen werden sollten.
Der Historiker und NS-Forscher Götz Aly warnte davor, den mutmaßlichen Attentäter lediglich als Wahnsinnigen einzuordnen. "Breivik ist auch kein Rechtsradikaler üblichen Zuschnitts", sagte er am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur. Vielmehr sei er ein fundamentalistischer, vernagelter Gewalttäter, ein terroristisch gewordener Christ.
Der Chemnitzer Extremismusforscher Eckhard Jesse geht davon aus, dass der Doppel-Anschlag von Norwegen rechtsextremen Gruppierungen eher schadet als nützt. "Jeder, der womöglich Sympathien hatte, wird auf Distanz gehen", sagte Jesse den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" (Dienstag). Der Schluss, dass hinter dem Massaker eine rechtsextreme Vereinigung stehe, sei allerdings unzulässig: Beim Massaker in Norwegen handele es sich um "die Tat eines wahnsinnigen Einzelnen".
Die NPD will mit dem Attentäter nicht in Verbindung gebracht werden
Auf einschlägigen Internetseiten der rechtsextremistischen Szene in Deutschland wird die Gräueltat von Oslo als Fanal gegen eine "zunehmende Überfremdung" Europas interpretiert. Unverhohlen wird auch Genugtuung darüber geäußert, dass "hier einer dem linken Kadernachwuchs einen Schlag versetzt hat". Doch trifft das Blutbad auch auf strikte Ablehnung. Zudem werden Zweifel an der Zugehörigkeit des Amokschützen zur rechten Szene geäußert. Auch die rechtsextreme NPD ließ erkennen, dass sie nicht in Verbindung mit dem Attentäter gebracht werden will. Laut Innenministerium in Schwerin sind Kontakte des Mannes zur Szene in Mecklenburg-Vorpommern nicht bekannt.
Politiker von SPD und Grünen fordern nun mehr Engagement gegen Rechtsextremismus. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte der "Frankfurter Rundschau" (Dienstag), im Lichte der Attentate sollte "die Bundesregierung ihr Engagement gegen Rechtsradikale verstärken und nicht alten Überwachungsfantasien hinterherlaufen". Forderungen der Union nach Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung erteilte sie - ebenso wie SPD und FDP - eine klare Absage.