Helfer in Mogadischu: auf der Suche nach hungernden Kindern
Mitarbeiter der Hilfsorganisationen suchen jeden Tag in der somalischen Hauptstadt Mogadischu nach unterernährten Säuglingen und Kindern. Aber das Risiko für sie ist hoch. Denn was immer den Helfern als Parteinahme für die schwache somalische Übergangsregierung von den Milizen ausgelegt werden könnte, birgt eine unkalkulierbare Gefahr.
27.07.2011
Von Bettina Rühl

Die Helfer haben sich auf Schuttbergen niedergelassen, müde von einem Tag Arbeit in sengender Hitze. Sie waren stundenlang in der somalischen Hauptstadt Mogadischu unterwegs und haben nach unterernährten Säuglingen und Kleinkindern Ausschau gehalten. Davon gibt es in diesen Tagen Tausende. Nach Angaben des Welternährungsprogramms (WFP) sind allein in den ersten drei Juliwochen 21.000 Menschen aus den somalischen Hungergebieten nach Mogadischu geflohen.

Die Trümmerhaufen säumen das Gelände, auf dem die Mitarbeiter der somalischen Organisation Saacid vor drei Tagen eine mobile Ernährungsstation eingerichtet haben. In Mogadischu ist Schutt nichts Besonderes, die somalische Hauptstadt ist von einem 20-jährigen Bürgerkrieg gezeichnet und immer noch umkämpft. Die Helfer haben ihre Ernährungsstation neben einem Flüchtlingslager errichtet, das innerhalb von wenigen Tagen entstand und in dem schon 16.000 Menschen Zuflucht gefunden haben. Die Saacid-Mitarbeiter haben eine Wellblechhütte gebaut, zwei Tische aufstellt, eine Waage für Säuglinge aufgehängt und mit der Arbeit angefangen.

[listbox:title=Spenden für Somalia[Diakonie Katastrophenhilfe: Konto 502 707, Postbank Stuttgart, BLZ 600 100 70, SMS mit NOT an 81190##Caritas international: Konto 202, Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BLZ 660 205 00, SMS mit CARITAS an 81190##Malteser-Hilfsdienst: Konto 120 120 120, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00, Stichwort: Hungersnot in Afrika, SMS mit "Malteser" an 81190##Ärzte ohne Grenzen: Konto 97 0 97, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00##UNICEF: Konto 300 000, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00##Aktion Deutschland Hilft: Konto 10 20 30, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00, SMS mit ADH an 81190##Kindernothilfe: Konto 45 45 40, KD-Bank, BLZ 350 601 90##Save the Children: Konto 929, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 100 205 00##Oxfam: Konto: 13 13 13 Bank für Sozialwirtschaft Köln BLZ 370 205 00##Christoffel-Blindenmission: Konto 2020, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00##Bündnis Entwicklung Hilft: Konto 51 51, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00]]

"Seitdem haben wir schon 370 mangelernährte und 200 schwer mangelernährte Kleinkinder behandelt", sagt Abdullahi Mohammed Ibrahim. Er ist Krankenpfleger und leitet die mobile Ernährungsstation. Er ist überzeugt: "Wenn wir mehr Helfer hätten, hätten wir auch mehr Fälle." Saacid verteilt Aufbaunahrung an die Kinder. Die Helfer tun, was sie können. Aber angesichts der Not sei das nie genug, sagt Abdullahi Mohammed. "Seit Wochen sind wir überfordert. Überwältigt von der Not."

Strikte Neutralität ist die einzige Chance, als Helfer in Somalia zu überleben

Finanzielle Unterstützung für die mobile Ernährungsstation bekommt Saacid von Oxfam und den UN-Organisationen UNICEF und WFP. Für ihre Garküchen ist der Dänische Flüchtlingsrat ihr Partner. "Wir arbeiten in allen Stadtbezirken", betont Abdullahi Mohammed, "auch in denen, die von den islamistischen Al Schabaab beherrscht werden". Das sei möglich, weil die Organisation streng neutral sei.

Auch andere Organisationen arbeiten landesweit. Die irische Organisation Concern zum Beispiel ist nach eigenen Angaben seit 25 Jahren in Somalia: Während der 90er Jahre, in denen Warlords das Kriegsgeschehen prägten, und auch heute, während die islamistische Miliz Al Schabaab gegen die schwache Übergangsregierung kämpft. "Wir arbeiten in allen Gebieten, auch in denen, die jetzt von der Al Schabaab kontrolliert werden", betont Austin Keenan von Concern. Dazu gehören auch die beiden Regionen Bay & Bakool sowie Lower Schabelle, in denen die UN den Hunger-Notstand erklärt haben.

Das Risiko für die Mitarbeiter ist hoch. Strikte Neutralität ist die einzige Chance, als Helfer in Somalia zu überleben. Was immer den Helfern als Parteinahme für die schwache somalische Übergangsregierung ausgelegt werden könnte, birgt ein unkalkulierbares Risiko. Concern gehört zur Alliance 2015, einem europäischen Verbund von Hilfsorganisationen.

Milizen verweigern dem WFP und einigen anderen Organisationen den Zugang

Weil sie auf diese Neutralität größten Wert legen, können auch andere westliche Organisationen seit Jahren in allen Gebieten helfen. Dazu gehören das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, das vor Ort vor allem über den Somalischen Roten Halbmond präsent ist. Ebenso "Ärzte ohne Grenzen", und christliche Organisationen wie die "Norwegian Church Aid". Auch die somalische Partnerorganisation von Diakonie Katastrophenhilfe und Caritas International, DBG, ist dabei. "Wir sind streng neutral", sagt deren Direktor Omar Olad. "Wir verhandeln mit allen Seiten, auch mit den Al Schabaab."

Dagegen verweigern die Milizen dem WFP und einigen anderen Organisationen den Zugang. Sie werfen ihnen vor, weniger humanitäre als politische Ziele zu verfolgen. Ende 2009 stellte die islamistische Miliz dem WFP Bedingungen, wenn es seine Arbeit in ihrem Gebiet fortsetzen wolle. Bedingungen, die anderen nicht gestellt wurden. Unter anderem, sagte der damalige WFP-Sprecher Peter Smerdon dem epd, hätten die weiblichen Mitarbeiter entlassen werden sollen. "Die Bedingungen waren einfach nicht akzeptabel", sagte Smerdon. Darauf stellte das WFP seine Arbeit in den islamistisch kontrollierten Gebieten Anfang 2010 ein. Selbst jetzt, angesichts der Dürre, hat sich das Verhältnis der Al Schabaab zum WFP offenbar nicht geändert.

epd