Terror, Misswirtschaft und Hunger - Somalias große Krise
Hungerkatastrophen hat es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gegeben. Dass die derzeitige fürchterliche Notlage das Bürgerkriegsland Somalia besonders hart getroffen hat, ist dabei kein Zufall: Immer wieder waren es politische Unruhen, interne Umwälzungen oder totale Misswirtschaft von Regierungen, die solche Desaster zumindest teilweise mitverursacht haben.
26.07.2011
Von Carola Frentzen

In Somalia - einem Land, in dessen interne Zustände die Weltgemeinschaft nur selten und bruchstückhaft Einblick erhält - gilt die radikalislamische Al-Shabaab-Miliz als Mitauslöser der Notlage. Es scheint fast wie ein wiederkehrendes Muster: Als 1984 die entsetzlichen Bilder sterbender Kinder in Äthiopien über die Fernsehschirme flimmerten, war der Krieg zwischen dem kommunistischen Diktator Mengistu Hailemariam und Rebellengruppen gerade auf seinem Höhepunkt angelangt. Ähnlich wie heute in weiten Teilen Somalias herrschte damals ein Schreckensregime, in dem Tausende politische Gegner auf brutalste Weise ermordet wurden.

Die letzte große Hungerkrise in Somalia kam 1992 zu einem Zeitpunkt, in dem das Land nach dem Sturz von Diktator Siad Barre in die Anarchie schlitterte. Seither gibt es in der Hauptstadt Mogadischu keine funktionierende Zentralregierung mehr.

Es droht der Tod von Zehntausenden

Und heute? Die Al Shabaab versucht seit Jahren im Süden des Landes einen islamischen Staat aufzubauen und kämpft ohne Unterlass gegen die Übergangsregierung in Mogadischu. Auf die Menschen nimmt die Gruppe dabei keinerlei Rücksicht. Wenn der Regen ausbleibt, wie zuletzt geschehen, sind die nomadischen Viehhirten darauf angewiesen, ihre Tiere in andere Landesteile zu treiben - aber das ist in einem so zerrütteten Land nicht nur gefährlich, sondern fast unmöglich.

[listbox:title=Spenden für Somalia[Diakonie Katastrophenhilfe: Konto 502 707, Postbank Stuttgart, BLZ 600 100 70, SMS mit NOT an 81190##Caritas international: Konto 202, Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BLZ 660 205 00, SMS mit CARITAS an 81190##Malteser-Hilfsdienst: Konto 120 120 120, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00, Stichwort: Hungersnot in Afrika, SMS mit "Malteser" an 81190##Ärzte ohne Grenzen: Konto 97 0 97, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00##UNICEF: Konto 300 000, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00##Aktion Deutschland Hilft: Konto 10 20 30, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00, SMS mit ADH an 81190##Kindernothilfe: Konto 45 45 40, KD-Bank, BLZ 350 601 90##Save the Children: Konto 929, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 100 205 00##Oxfam: Konto: 13 13 13 Bank für Sozialwirtschaft Köln BLZ 370 205 00##Christoffel-Blindenmission: Konto 2020, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00##Bündnis Entwicklung Hilft: Konto 51 51, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00]]

Zudem wird internationale Hilfe in den besonders betroffenen Gebieten seit Jahren behindert. Die Al Shabaab gibt als wenig glaubhafte Begründung an, die westlichen Organisationen würden in Somalia politisch agieren. Es seien "Kämpfe, administrative Hürden und politische Restriktionen", die es verhinderten, dass die notwenige Hilfe zu den Menschen gelangen könnte, erklärte "Ärzte ohne Grenzen".

Stattdessen nutzt die Miliz ihre Macht, um Terror und Angst zu verbreiten. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) berichtete jetzt, dass Rebellen mehrere Viehhirten öffentlich geköpft hätten, nur weil diese ihre wenigen überlebenden Tiere nicht aushändigen wollten. "Wenn sich die internationale Gemeinschaft nicht endlich engagierter für Frieden in dem umkämpften Land einsetzt, werden in den nächsten sechs Monaten zehntausende Somalier sterben", sagte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius in Göttingen. "Es ist zu wenig, nur Hungerhilfe zu leisten, um das Massensterben in Somalia aufzuhalten."

Vor allem Kinder und Jugendliche leiden

Es scheint kaum verwunderlich, dass die Vereinten Nationen vor wenigen Tagen ausgerechnet in zwei der von Al Shabaab kontrollierten Regionen in Südsomalia - Bakool und Lower Shabelle - offiziell eine Hungersnot ausgerufen haben. Für Menschen in den westlichen Industrieländern übersteigt es fast die Vorstellungskraft, was sich seit Jahren in diesen Gebieten abspielt.

Amnesty International machte gerade erst in einem Bericht darauf aufmerksam, wie sehr vor allem Kinder und Jugendliche unter der willkürlichen Gewalt der Rebellen leiden. Wer nicht durch den Hunger dahingerafft wird, dem droht die Rekrutierung als Kindersoldat oder Selbstmordattentäter und - im Fall junger Mädchen - die Zwangsverheiratung mit Al-Shabaab-Kämpfern. Die Lage in Somalia ist wie ein Buch mit sieben Siegeln: Unverständlich, unbekannt und fremd. Nur eins ist sicher: Wenn nicht bald etwas geschieht, dann sind unzählige, verzweifelte Menschen dem Tode geweiht.

dpa