UN wollen stärker gegen Hunger in Ostafrika kämpfen
Wegen der Hungersnot am Horn von Afrika ruft die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) eindringlich zu internationaler Hilfe auf. "Wir müssen den Hunger stoppen", sagte FAO-Generaldirektor Jacques Diouf am Montag vor Vertretern aus rund 190 Staaten bei einem Krisentreffen in Rom. In Ostafrika sind elf Millionen Menschen von Hunger bedroht. Am schlimmsten ist die Situation im Bürgerkriegsland Somalia. Angesichts zehntausender Flüchtlinge verschlimmert sich nach Angaben des Lutherischen Weltbundes (LWB) die Lage auch in Kenia dramatisch.

Die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos sagte, in den vergangenen zehn Tagen habe die Staatengemeinschaft ihre Zusagen um 200 Millionen auf knapp eine Milliarde US-Dollar (fast 700 Millionen Euro) erhöht. Bis Jahresende sei jedoch eine weitere Milliarde Dollar zusätzlich erforderlich. Die Deutsche Welthungerhilfe begrüßte, die Absicht der internationalen Gemeinschaft, akute Nothilfe, aber auch langfristige Unterstützung für Landwirtschaft und Ernährung zu bewilligen. "Das Programm ist da, jetzt müssen schnell die Mittel fließen", forderte Welthungerhilfe-Präsidentin Bärbel Dieckmann. "Die Krise ist chronisch", fügte sie hinzu. Sie müsse mit Investitionen in die Landwirtschaft und mit politischem Druck in Somalia langfristig gelöst werden."

Deutschland stockt unterdessen seine Soforthilfe für die Hungernden auf. Die Mittel für Trinkwasser, Lebensmittel und medizinische Versorgung würden auf 30 Millionen Euro verdoppelt, sagte Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) in Berlin. Zusätzlich steuere Deutschland rund 20 Prozent zu den 158 Millionen Euro bei, die die EU zur Verfügung stellt. Niebel selbst nimmt an der eintägigen Konferenz in Rom nicht teil. Die Weltbank stellte 500 Millionen US-Dollar (350 Millionen Euro) an langfristigen Hilfen für die Landwirtschaft in Ostafrika bereit. Neben der Soforthilfe habe die internationale Gemeinschaft auch Verantwortung, Vorsorge zu treffen, damit solche schweren Hungersnöte nicht mehr auftreten, sagte Weltbank-Präsident Robert Zoellick.

Kritik an Afrika und Industriestaaten

Die Teilnehmer der eintägigen Konferenz in Rom übten heftige Kritik an afrikanischen Staaten und an Industrieländern. "Wir können nicht weitermachen wie bisher, denn wir haben es versäumt, die weltweite Ernährungssicherheit zu garantieren", erklärte der französische Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire. Die internationale Gemeinschaft müsse in Krisenfällen innerhalb von Stunden oder Tagen und nicht wie bisher innerhalb von Wochen oder Monaten reagieren. Zudem müsse in die Landwirtschaft unterentwickelter Länder investiert werden. Nur so könnten sich diese Staaten selbst versorgen und seien nicht auf Importe angewiesen.

Le Maire forderte zudem eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte, um die Spekulation mit Nahrungsmitteln einzuschränken. Hungersnöte in der heutigen Zeit seien ein Skandal. "Wir brauchen eine globale Mobilisierung gegen den Hunger am Horn von Afrika", sagte er. "Es geht um eine Frage auf Leben und Tod." Die UN-Ernährungsorganisation plädierte auch für langfristige Strategien für politische Stabilität in Afrika. "Wir müssen Frieden schaffen, um Leben zu retten und die Grundlagen für Ernährungssicherheit zu legen", sagte FAO-Chef Diouf. Die Konferenz war auf Vorschlag Frankreichs einberufen worden, das den Vorsitz in der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) innehat.

Der Präsident des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung, Kanayo Nwanze, monierte, dass nur wenige afrikanische Länder ausreichend in Landwirtschaft investiert hätten. Daher seien viele von ihnen im neuerdings auf Lebensmittelimporte angewiesen. Für die Direktorin der Hilfsorganisation Oxfam, Barbara Stocking, hätte die aktuelle Krise verhindert werden müssen. Trotz finanzieller Zusagen kämen zahlreicher Staaten ihren Zahlungsverpflichtungen weiterhin nicht nach, sagte sie. Frühe Warnungen seien nicht auf Resonanz gestoßen. Auch nach den Worten der Exekutivdirektorin des Welternährungsprogramms, Josette Sheeran, gab es bereits im vergangenen August erste Berichte über eine drohende Hungersnot in Ostafrika.

LWB versorgt Menschen mit Lebensmitteln

Der Direktor des LWB-Weltdienstes, Eberhard Hitzler (58), sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag in Genf, die hungernden und durstenden Menschen warteten in Dadaab vor den Toren des größten Flüchtlingscamps der Welt auf Einlass. "Diese verzweifelten Männer, Frauen und Kinder satt zu bekommen, ist unsere größte Herausforderung." Wegen Überfüllung können nicht alle Flüchtlinge im Lager aufgenommen werden. Der Weltdienst, der mit 150 Mitarbeitern im UN-Auftrag das Camp Dadaab verwaltet, wolle die außerhalb des Lagers wartenden Menschen mit Lebensmitteln und Wasser versorgen, so der Direktor. Kenianische Behörden regeln den Einlass in das Camp Dadaab, das etwa 90 Kilometer von der somalischen Grenze entfernt liegt.

[listbox:title=Spenden für Somalia[Diakonie Katastrophenhilfe: Konto 502 707, Postbank Stuttgart, BLZ 600 100 70##Caritas international: Konto 202, Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BLZ 660 205 00##Malteser-Hilfsdienst: Konto 120 120 120, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00##Ärzte ohne Grenzen: Konto 97 0 97, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00##UNICEF: Konto 300 000, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00##Aktion Deutschland Hilft: Konto 10 20 30, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00##Kindernothilfe: Konto 45 45 40, KD-Bank, BLZ 350 601 90##Save the Children: Konto 929, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 100 205 00]]

Hitzler forderte die Regierung Kenias auf, endlich die Genehmigung für den Bau eines neuen Flüchtlingslagers zu geben. "Wir warten auf grünes Licht", unterstrich er. Vor gut einer Woche hatte Premierminister Raila Odinga die Zusage für ein neues Lagers gegeben. Diese Zusage wurde aber von seiner Regierung wenig später widerrufen. Die Regierungskoalition in Kenia besteht aus zwei rivalisierenden Parteien. "Die Lebensmittelreserven für Dadaab werden innerhalb der nächsten Wochen erschöpft sein", betonte Hitzler. Innerhalb des Camps leben mehr als 400.000 Menschen, konzipiert ist es für 90.000. Pro Tag strömen bis zu 1.300 somalische Hungerflüchtlinge nach Dadaab. Die Menschen, die vor der Trockenheit in ihrer Heimat fliehen, müssten tagelange Fußmärsche in unsicheren Gebieten durch Hitze und Staub auf sich nehmen, um nach Dadaab zu gelangen.

Der Weltdienst könne die Menschen in den Dürregebieten im Süden Somalias nicht direkt mit Lebensmitteln versorgen. "Es ist viel zu gefährlich", erklärte Hitzler. Die Al-Schabaab-Milizen, die den Süden Somalias kontrollieren, würden die Sicherheit der Helfer nicht garantieren. Die Milizen hätten kein zentrales Kommando, keine Hierarchie. Deshalb seien Verhandlungen mit ihnen über einen Zugang zu den notleidenden Menschen sehr schwierig. Anfang 2010 hatten die Al-Schabaab alle Hilfsorganisationen aus dem Gebiet verwiesen. Dem Lutherischen Weltbund mit Sitz in Genf gehören 145 Kirchen in 79 Ländern mit rund 70 Millionen Christen an. Der Weltdienst ist seine Nothilfe- und Entwicklungsabteilung, die in mehr als 30 Ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa tätig ist und etwa 5.000 Mitarbeiter hat.

Islamisten behindern Hilfe

In Ostafrika sind aufgrund der schwersten Dürre seit 60 Jahren elf Millionen Menschen vom Hunger bedroht. Am schlimmsten betroffen ist Somalia: Für Teile des Landes haben die Vereinten Nationen den Hunger-Notstand ausgerufen. Viele Somalier sind nach Kenia und Äthiopien geflüchtet, wo allerdings auch Nahrungsmittelknappheit herrscht. Im Bürgerkriegsland Somalia, wo islamistische Milizen die Nothilfe behindern, arbeiteten die internationalen Helfer unter sehr schwierigen Bedingungen, beklagte Niebel. Es gebe dort Gegenden, "in die man keine Mitarbeiter guten Gewissens schicken kann". Es sei auch keine Lösung, Nahrungsmittel per Flugzeug abzuwerfen, weil sie dann womöglich den Islamisten zugutekämen.

Das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen will eine Luftbrücke für 2,2 Millionen Hungernde im Süden Somalias starten. "Das WFP steht in den Startlöchern", sagte die Sprecherin des Berliner WFP-Büros, Katharina Weltecke, dem Evangelischen Pressedienst (epd). An diesem Dienstag solle ein erster Hilfsflug mit 84 Tonnen Fertignahrung in der somalischen Hauptstadt Mogadischu eintreffen. Laut Weltecke ist aber noch nicht ganz klar, wie die Hilfsgüter zu den Hungernden im Süden Somalias gelangen sollen, der von der islamistischen Al-Schabaab-Miliz kontrolliert wird. "Das ist die große Frage", betonte sie.

Über die Arbeit der UN-Hilfswerke verhandele das UN-Büro zur Koordination humanitärer Hilfe mit den örtlichen Machthabern. Auch das Abwerfen von Hilfsgütern aus der Luft sei weiter in der Debatte. Allerdings habe man dabei keinerlei Garantie, dass die Lebensmittel auch die Notleidenden erreichten, sagte Weltecke. Die Al-Schabaab-Miliz hatte Ende 2009 internationale Hilfswerke ausgewiesen und bedroht. Zuletzt gab es widersprüchliche Äußerungen zu der Frage, ob Hilfe aus dem Ausland erwünscht ist oder abgelehnt wird.

epd