Zeitungsverlage versuchen sich im Rabattgeschäft
Der Weg zur Bikinifigur dauert drei Wochen und kostet 19 Euro. Statt 189 Euro. Mit diesem verlockenden Angebot wirbt ein Fitnessstudio um Kundinnen bei "Westdeal.de", dem Gutscheinportal der Essener WAZ-Mediengruppe. Einzige Bedingung: Es müssen sich genügend Damen finden, damit dieser sogenannte Deal innerhalb einer festgelegten Zeit zustande kommt.
25.07.2011
Von Martin Meuthen

"Couponing" heißt diese Art des massenhaften Gutscheinverkaufs. Das Prinzip: Je mehr Leute kaufen, desto preiswerter wird es. Die derzeit populärste Gutscheinplattform stammt vom amerikanischen Unternehmen Groupon. Ende 2008 gegründet, verfügt Groupon mittlerweile weltweit über 7.000 Mitarbeiter und rund 80 Millionen E-Mail-Abonnenten. Allein im Raum Berlin setzte das Portal im ersten Quartal 2011 knapp 230.000 Gutscheine ab und verdiente kräftig mit. Über Provisionen von bis zu 50 Prozent je Gutschein nahm Groupon rund sechs Millionen Euro ein. Jetzt soll der Börsengang folgen.

Der Erfolg der Verlage bleibt noch aus

Auch deutsche Verlage versuchen sich seit einiger Zeit an diesem speziellen Modell des elektronischen Handels. Unter dem Motto "Gemeinsam sind wir Schnäppchen" startete die WAZ-Gruppe im März 2010 ihre Gutscheinplattform "Westdeal". Schnäppchenjäger könnten dort bis zu 50 Prozent sparen, hieß es damals. Gleichzeitig biete die Plattform teilnehmenden Unternehmen die Chance "auf eine hohe Kundenfrequenz". So könnten Firmen neue Kunden gewinnen und obendrein auch noch mehr Umsatz zu machen.

Gut ein Jahr später hält sich die Anzahl der präsentierten Deals bei "Westdeal" in Grenzen. Einzig der Fitnessgutschein erscheint unter der Rubrik "aktuelle Deals". Am beliebtesten scheinen bislang Gutscheine für ein Frühstücksbuffet in einem Essener Bahnhof zu sein. Für 5,90 Euro - der Hälfte des regulären Preises. Zur bisherigen Bilanz seines Gutscheins-Portals will sich die WAZ auf Anfrage nicht äußern. Der zuständige Marketingleiter wechselte erst kürzlich zum Konkurrenzblatt "Rheinische Post".

WAZ-Gruppe bekommt Mitspieler

Neben der WAZ startete auch die "Leipziger Volkszeitung" mit "Sachsendeal" ein eigenes, regionales Gutscheinportal. Die technische Entwicklung und Administration erfolgte dabei wie für "Westdeal" durch den Verlagsdienstleister Banghaus in Rendsburg, der für eine derartige Seite einmalig knapp 13.000 Euro verlangt. Der Verlag muss sich nur noch um die Akquise der Angebote und die Werbung kümmern.

Das Fazit zu "Sachsendeal" sei sehr positiv, sagt Holger Herzberg, Bereichsleiter Neue Medien bei der Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft. "Wir werden bereits nach dem ersten Jahr rentabel sein." Man verkaufe aber nicht "auf Teufel komm raus", sondern berate die Geschäftskunden, um ihnen über "Sachsendeal" neue Kontakte für ihre Dienstleistungen zu ermöglichen. Den regionalen Anzeigenmarkt könnten Gutscheinportale auf lange Sicht nicht ersetzen, glaubt Herzberg. "Sie sind aber eine attraktive Ergänzung."

Kritiker: Couponing ist ein gefährliches Spiel

Der Journalist und E-Commerce-Berater Steffen Greschner hält diese Sichtweise für gefährlich. "Der Anzeigenmarkt wird für die Verlage vielleicht noch fünf bis zehn Jahre funktionieren", sagt er. Genau wie die Kleinanzeigen für Autos und Immobilien werde mit der Zeit der Anzeigenmarkt ins Netz abwandern. Gerade in den Branchen Gastronomie und Wellness würden dann viele Händler nicht mehr auf die Zeitungen zugehen.

Die Deutsche Verlagsszene tue sich mit Vermarktungschancen im Internet nach wie vor schwer. Dabei böten Verlagshäuser alles, was Groupon sich derzeit mit sehr viel Geld aufbaue, sagt Greschner. "Wer hat in jeder Stadt die besten Kontakte zu Händlern? Seit hundert Jahren die Zeitung." Um dieses Potenzial entsprechend zu vermarkten, müssten die Verlage in eigene Portale mit ihrem eigenen Personal investieren, anstatt die Webseiten extern entwickeln zu lassen. "Ansonsten bekommt das schnell einen Stiefkindcharakter."

Ob Gutscheinportale in Deutschland dauerhaft eine ähnliche Dynamik entwickeln wie "groupon.com" und "livingsocial.com" in den USA, lässt sich nur schwer beurteilen. Neu ist die Idee beileibe nicht. Bereits Ende der 90er Jahre verfolgte das Portal "letsbuyit.com" ein ähnliches Geschäftsmodell - bevor es infolge der New-Economy-Blase pleite ging.

epd