Bischöfe: "Mit christlich hat das nichts zu tun"
"Getötet, fort, für immer. Es ist nicht zu begreifen", sagte Regierungschef Jens Stoltenberg im Trauergottesdienst in Oslo und kämpfte dabei mit den Tränen. Mehr als 90 Menschen sind bei dem Doppelanschlag in Norwegen gestorben. Auch Vertreter der Kirchen in Deutschland zeigten sich am Wochenende geschockt und drückten ihr Mitgefühl aus. Im Hinblick auf die Formulierung der Polizei, der mutmaßliche Täter sei als "christlich-fundamentalistisch" einzuordnen, stellten die Bischöfe Johannes Friedrich und Gerhard Ulrich klar, dass sein Denken nichts mit "christlich" zu tun habe.

Kirchenvertreter haben mit Entsetzen und Trauer auf die verheerenden Anschläge mit 93 Toten in Norwegen reagiert. Die norwegische lutherische Bischöfin Helga Haugland Byfuglien verurteilte die Tat als Akt sinnloser Gewalt. In einem Trauergottesdienst im Dom von Oslo sprach sie am Sonntag den Hinterbliebenen Trost zu: "Ihr seid nicht allein in Eurer Trauer." Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, zeigte sich am Wochenende geschockt und drückte den Hinterbliebenen sein Mitgefühl aus. In vielen Sonntagsgottesdiensten in Deutschland gedachten die Gläubigen der Opfer.

Am Freitag waren bei einer Bombenexplosion im Regierungsviertel von Oslo sieben Menschen und bei einem anschließenden Massaker in einem sozialdemokratischen Ferienlager auf der Insel Utöya 86 Menschen getötet worden. Der 32-jährige mutmaßliche Täter gehört der rechten Szene an und ist nach Polizeiangaben "christlich-fundamentalistisch" orientiert.

Stoltenberg: "Wir werden unsere Werte nicht aufgeben"

An dem ökumenischen Gottesdienst in Oslo nahmen neben Hinterbliebenen und Überlebenden auch Spitzenvertreter des norwegischen Staates teil. "Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben", sagte Ministerpräsident Jens Stoltenberg in einer bewegenden Ansprache. "Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit".

Mit den Tränen kämpfend nannte der 52-jährige Regierungschef ihm persönlich bekannte Opfer des Massakers auf der Insel Utøya. Eines von ihnen hatte 20 Jahre in jedem Jahr bei dem Ferienlager mitgewirkt. Ein anderer galt als hoffnungsvoller sozialdemokratischer Nachwuchspolitiker. Stoltenberg sagte: "Getötet, fort, für immer. Es ist nicht zu begreifen."

Der EKD-Ratsvorsitzende Schneider äußerte sich in Hannover "tief erschüttert von den brutalen Gewalttaten". Keine politische oder religiöse Lehre könne Begründung sein für diesen Akt des kaltblütigen Mordens, unterstrich der rheinische Präses. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister erklärte, er sei in Gedanken bei den Opfern und Angehörigen. Christinnen und Christen vertrauten darauf, dass weder Schmerz noch Leid und nicht einmal der Tod die endgültige Zerstörung des Lebens seien, fügte er hinzu.

Terror und Mord haben nichts mit Glaube und Liebe zu tun

Auch der bayerische evangelische Landesbischof Johannes Friedrich sprach sein tiefes Mitgefühl aus. Zugleich zeigte er sich entsetzt, dass man "in den Medien dieser Tat ein christlich-fundamentalistisches Motiv unterstellt". Mit "christlich" habe solches Denken "gar nichts zu tun", betonte der Landesbischof in einem Gottesdienst in Rothenburg ob der Tauber: "Im Gegenteil."

Der nordelbische Bischof Gerhard Ulrich unterstrich, wenn der Täter tatsächlich einen christlich-fundamentalistischen Hintergrund habe, dann müsse "ein ganz klarer und ganz scharfer Trennungsstrich" gezogen werden. Terror und Mord ließen sich auf keine Weise rechtfertigten und hätten mit Glaube, Liebe und Hoffnung im christlichen Sinn "absolut nichts zu tun".

Der norwegische Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Olav Fykse Tveit, sagte, er sei "tief traurig, dass dies in meinem geliebten Land geschehen ist". Norwegen sei nun auf internationale Solidarität angewiesen, unterstrich der Theologe von der norwegischen lutherischen Kirche, der rund 85 Prozent der Bevölkerung angehören.

Auch in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen wurde der Opfer gedacht. An der Gedenktafel für ermordete norwegische Häftlinge wurde eine Kerze angezündet. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten hatte vor dem Hintergrund des offensichtlich rechtsextremen Motivs der Anschläge zu der Andacht eingeladen. Nach Gedenkstättenangaben waren zwischen 1940 und 1945 etwa 2.500 Norweger im KZ Sachsenhausen inhaftiert.
 

epd/dpa