TV-Tipp des Tages: "Sherlock: Ein Fall von Pink" (ARD)
Die Verfilmungen der Krimis von Arthur Conan Doyle geht in die Hunderte. Diese BBC-Trilogie darf sich rühmen, eine der besten zu sein.
22.07.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Sherlock: Ein Fall von Pink", 24. Juli, 21.45 Uhr im Ersten

Eigentlich ist es unmöglich, Sherlock Holmes noch neue Seiten abzugewinnen. Schon allein das weckt die Neugier auf diese dreiteilige BBC-Reihe. Die herausragende Qualität der Produktion offenbart sich bereits nach wenigen Augenblicken: Es ist den "Dr. Who"-Autoren Steven Moffat und Mark Gatiss gelungen, die Figur des Detektivs konsequent neu zu erfinden und der Schöpfung von Arthur Conan Doyle dennoch treu zu bleiben. Der Transfer vom viktorianischen England ins London der Gegenwart ist dabei nur die auffälligste Änderung.

Zeiltlose Brillanz

Als Kind der Gegenwart bewegt sich der geniale Holmes in virtuellen Welten ebenso virtuos wie in den Straßen der Stadt. Außerdem wirkt Darsteller Benedict Cumberbatch (35) deutlich jünger; Sherlock macht im Sprint wie auch im Zweikampf eine ausgezeichnete Figur. Zeitlos dagegen ist seine Brillanz: In der Regel genügt ihm ein Blick, um einen Tatort oder seine Mitmenschen zu analysieren. Andererseits braucht das ebenso exzentrische wie eigenbrötlerische Genie permanent neue Herausforderungen, sonst langweilt es sich wie ein kleines Kind.

Nicht minder interessant ist der Entwurf des Mannes an seiner Seite. Dem wie bei Doyle frisch aus Afghanistan heimgekehrten abenteuerlustigen Militärarzt Watson (Martin Freeman) kommt die zufällige Bekanntschaft mit Holmes gerade recht. Dass die beiden eine Zweier-WG bilden, liefert ihren Zeitgenossen zudem regelmäßig Anlass für Spekulationen, zumal der asketische Detektiv, in Gefühlsdingen fast ein Soziopath, auf fleischliche Genüsse aller Art zu verzichten scheint. Auch Erzfeind Moriarty ist mit von der Partie: Er steckt hinter sämtlichen Verbrechen und fordert den Detektiv im dritten Teil regelrecht zum Tanz.

Die kühne Variation der Figuren allein aber wäre nur der halbe Spaß. Die Drehbücher sind von einer eindrucksvollen Komplexität und imponieren durch Sorgfalt auch im kleinsten Detail, so dass die Fälle selbst für Holmes echte Herausforderungen darstellen. Auch optisch sind die von Paul McGuigan und Euros Lyn inszenierten Filme reizvoll. Gerade die Integration moderner Kommunikationstechniken ist sehr überzeugend gelungen, von Tempo, ungewöhnlichen Perspektiven und kunstvollen Übergängen ganz zu schweigen.

"Sherlock" wurde in diesem Jahr als beste Drama-Serie mit dem Bafta-Award, dem britischen Film- und Fernsehpreis, ausgezeichnet. Im Herbst zeigt die BBC eine weitere Staffel, die dann hoffentlich 2012 auch im "Ersten" zu sehen sein wird: Die Auftakttrilogie (die weiteren Filme zeigt das "Erste" an den kommenden Sonntagen) endet mit einem gemeinen "Cliffhanger".


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).