Cameron: "Ich kann nichts dazu"
Kritiker hatten schon für die Zeit nach Premierminister Cameron geplant. Im britischen Abhör- und Korruptionsskandal wand sich Cameron am Mittwoch durch eine mehrstündige Unterhausdebatte und zog den Kopf aus der Schlinge - zunächst.
20.07.2011
Von Michael Donhauser und Britta Gürke

Die Murdoch-Affäre um abgehörte Telefone, bestochene Polizisten und vor allem um gebeugte Wahrheiten hat Großbritannien in eine tiefe gesellschaftliche Krise gestürzt. Das böse Wort von der "Bananenrepublik" machte in den Gazetten die Runde, als Premierminister David Cameron gerade von seiner eigens verkürzten Afrika-Reise zurückeilte. Köpfe rollten an der Spitze von Murdochs Medienkonzern und in der Führungsetage der Polizei. Jetzt wollen die Menschen im Mutterland der Pressefreiheit wissen: Wann muss auch der erste Politiker gehen?

Premierminister Cameron, dem von den Hinterbänken der Opposition schon Rücktrittsforderungen entgegenschallen, wird es wohl nicht sein. "Es ist meine Aufgabe, dieses Durcheinander in Ordnung zu bringen", sagte er am Mittwoch in einer zweieinhalbstündigen Sondersitzung des Unterhauses. Mit seinem robusten Auftritt in der hitzigen Parlamentsdebatte zog er zunächst einmal den Kopf aus der Schlinge.

Mindestens 27 Treffen mit Murdochs Leuten

Ganz der Murdoch-Strategie verhaftet, wollte auch Cameron sich keinerlei persönliche Verfehlungen ans Revers heften. "Was passiert ist, ist schlimm, aber ich kann nichts dazu", lautete auch seine Quintessenz. Die sich nun anschließende parlamentarische Sommerpause könnte ihm mehr Luft verschaffen. Danach könnte es zu einschneidenden Veränderungen der Medienlandschaft und zu neuen Pressegesetzen kommen. Auch der Korruption bei der Polizei sagte Cameron den Kampf an. Bisher regierte in Großbritanniens Medienszene vor allem Rupert Murdoch - mit 37 Prozent Marktanteil allein bei den Tageszeitungen.

Während der 80-jährige Medienzar am Mittwoch die Insel wieder in Richtung US-Heimat verließ, wollten die Versuche der Opposition, die auffällige Nähe von Regierungschef Cameron zum Murdoch-Imperium anzuprangern, nicht so richtig fruchten. "Einige hier suchen ständig nach dem Geheimnis hinter dem Vorhang - aber es gibt keines", hielt Cameron seinen Kritikern entgegen. Oppositionsführer Ed Miliband versuchte ihm ins Gewissen zu reden: "Was sollen die Menschen im Land denken, wenn die Mächtigen ohne jede Verantwortung handeln?", fragte Miliband.

Cameron hatte sich in nur 15 Monaten Amtszeit mindestens 27 Mal mit Top-Leuten aus dem Murdoch-Imperium getroffen - sogar an seinem Geburtstag und zu Weihnachten. Zudem hatte er mit Andy Coulson den ehemaligen Chefredakteur der Skandalzeitung "NewsoftheWorld" in sein engstes Umfeld geholt - obwohl dieser bereits als erster Journalist des Blattes zurücktreten musste. "Wenn ich gewusst hätte, was wir heute wissen, hätte ich ihn nicht angestellt", sagte Cameron. Er werde sich entschuldigen, wenn Coulsons Schuld erwiesen sei.

Miliband treibt Cameron genüsslich vor sich her

Dass Cameron am Mittwoch einfiel, dass neben dem Murdoch-Blatt "NewsoftheWorld" auch andere Medien in Großbritannien verstrickt sein könnten, ist kein Zufall. Je mehr Medienhäuser beteiligt sind, desto weniger kann ihm aus seiner Nähe zu Murdoch ein Strick gedreht werden. Die Zahlen über aufgelistete aber nicht näher genannte Verstöße etwa der "Daily Mail" oder des "Mirror" stammen aus einem Bericht, der schon vor mehreren Jahren vorgelegt wurde, wie die Medienanalystin Claire Enders sagt. Schon vor Monaten hatte Londons Bürgermeister Boris Johnson gesagt, wer glaube, der Abhörskandal sei auf eine Zeitung beschränkt, habe keine Ahnung.

Seine Verteidigungsstrategie könnte dem wegen Dauer-Koalitionskrachs und Wirtschaftskrise Kummer gewohnten Cameron reichen, um sich im Amt zu halten. Oppositionschef Miliband, der in der Krise deutlich Oberwasser gewann, scheint erst einmal auch gar kein Interesse an einer Ablösung Camerons zu haben. Miliband wirft dem Regierungschef seit Wochen einen "katastrophalen Einschätzungsfehler" in der Causa Coulson vor - und treibt seinen Lieblingsgegner genüsslich vor sich her.

dpa