Deutsche Waffen: Ein Nischenprodukt
Kampfflugzeuge und Lenkwaffen, Pistolen und Gewehre, Brennstoffzellen-U-Boote und "Leopard"-Panzer - all diese Waffen werden in Deutschland hergestellt. In der Ära der Großen Koalition ist das genehmigte Exportvolumen für Kriegswaffen, Rüstungsgüter und militärische Dienstleistungen in alle Welt deutlich gestiegen. Dennoch spielt die Waffenproduktion in der deutschen Wirtschaft nur eine kleine Rolle.
20.07.2011
Von Hermannus Pfeiffer

Deutschlands Waffen sind weltweit in aller Munde: Der Verkauf eines U-Bootes an Israel soll mit 135 Millionen Euro subventioniert werden; Leopard-Panzer könnten demnächst nach Saudi-Arabien geliefert werden und Bundeskanzlerin Angela Merkel bietet auf ihrer Afrikareise an, die Marine Angolas zu ertüchtigen. Doch täuschen die vielen "Erfolgs"-Meldungen in jüngster Zeit über die tatsächliche volkswirtschaftliche Bedeutung der Rüstungsindustrie hinweg. Die ist nämlich eher gering.

Im zurückliegenden Jahrzehnt stieg die deutsche Industrie bei Waffenexporten zur Nummer drei auf, hinter den USA und Russland, aber vor Großbritannien, China und Frankreich. Weltberühmt sind die Pistolen und Gewehre von Heckler & Koch aus Oberndorf am Neckar. Doch besteht die Rüstungswirtschaft keineswegs nur aus volkswirtschaftlichen Leichtgewichten in der Provinz.

So produziert der halbstaatliche Hochtechnologiekonzern EADS/Airbus, deren größter privater Aktionär Daimler ist, Kampfflugzeuge und Lenkwaffen. Und Stahlgigant Thyssen-Krupp hat sich zwar gerade aus dem zivilen Schiffbau verabschiedet, will aber weiterhin aus Kiel Brennstoffzellen-U-Boote bis nach Israel und Pakistan liefern und entwickelt neuartige Marathon-Kriegsschiffe des Typs "F125" für die Deutsche Marine. Sie sollen bis zu 24 Monate lang nonstop vor fremden Küsten kreuzen können.

Das Beispiel "Leopard"

Als überdurchschnittlich gewinnträchtig für beide Beteiligten gilt ebenfalls der im vergangenen Jahr geschmiedete Panzerbund von MAN und Rheinmetall. Erstere gehört seit Juli zu Volkswagen und letztere stellt zusammen mit Krauss-Maffei Wegmann den schweren Panzer "Leopard" her, von dem Saudi-Arabien 200 Stück kaufen will. Rund 7.000 der Kampfmaschinen "Leopard 1" und "Leopard 2" wurden seit den sechziger Jahren für schätzungsweise 50 Milliarden Euro an die Bundeswehr und mehr als ein Dutzend anderer Armeen geliefert.

Mit dem Ende des Kalten Krieges waren zwar militärische Großraumstrategien, die auf Panzerschlachten in der niederdeutschen Tiefebene basierten, zu altem Eisen verrostet. Die Bundeswehr hat sich seither von tausenden "Leoparden" getrennt und hält lediglich 350 der nachgerüsteten Top-Version "2A5" kampfbereit. In Afghanistan wird der "Leo" nicht eingesetzt. Ein Comeback erleben Panzer aber in Krisenregionen wie dem arabischen Raum, zur Machtprojektion und - mit Räumschild wie eine Planierraupe ausgestattet - im Häuserkampf und bei Bedarf gegen Demonstranten.

[listbox:title=Länderberichte[Hintergrundinformationen über die Empfängerländer deutscher Rüstungsexporte außerhalb der NATO bietet das Internationale Konversionszentrum Bonn (BICC) auf seiner Internetseite www.ruestungsexport.info. Berichtet wird unter anderem über Libyen, Pakistan und Saudi-Arabien. Der Infodienst wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erstellt. "Mit den Daten soll die Informationsbasis in der Diskussion um deutsche Rüstungsexporte verbessert werden", hofft BICC-Geschäftsführer Peter Croll.]]

Eine neue Tochtergesellschaft von MAN und Rheinmetall gehört inzwischen zur globalen Spitze der besonders lukrativen Radpanzer-Szene. Das weltweite Comeback des Guerillakrieges hat vor allem das Geschäft mit flotten, aber gepanzerten Radfahrzeugen explosionsartig anschwellen lassen. Im asymmetrischen Krieg gewinnen sie wieder eine überragende taktische Bedeutung für die Militärs. Nur noch in schwer gerüsteten Spezialfahrzeugen können sich Soldaten durch ein Land bewegen, in dem preiswerte ferngesteuerte Sprengfallen und Hinterhalte an jedem Straßenrand lauern können.

Wie in anderen exportorientierten Industriezweigen erschöpft sich das deutsche Angebot jedoch nicht allein in "Hardware". Der richtungweisende Panzerriese Rheinmetall entwarf und betreut das neue Gefechtsübungszentrum des Heeres in der Altmark, konzipiert den multimedial vernetzten "Infanteristen der Zukunft" und arbeitet an künstlichen 3D-Projekten. Fabriken entstehen selbst in Krisenregionen. Rheinmetall, Krauss-Maffei sowie Gewehrfabrikant Heckler & Koch wollen nach Medienberichten in Algerien und Saudi-Arabien produzieren lassen. Zudem spielt für Airbus im zivilen Wettstreit mit Boeing, das auch ein Rüstungsunternehmen ist, Militäraufträge eine wichtige Rolle als Subvention, etwa das Transportflugzeug "Airbus A400M".

Werkzeug der Außenpolitik

Trotzdem halten sich die 80 Rüstungsfirmen im Industrieverband BDI für einen technologisch unverzichtbaren "Innovationsmotor". Einen größeren Gebrauchswert für die Gesellschaft würden diese Ingenieurekapazitäten allerdings mit anderen Produkten bewirken. Davon ist man mittlerweile auch in der IG Metall überzeugt und setzt auf Konversion, auf Schwerter zu Pflugscharen.

Aus Deutschland wurden im Jahr 2009 Rüstungsgüter im Wert von rund fünf Milliarden Euro exportiert. Das geht aus dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung hervor. In der Ära der Großen Koalition ist das genehmigte Exportvolumen für Kriegswaffen, Rüstungsgüter und militärische Dienstleistungen in alle Welt deutlich gestiegen. Dennoch liegt der Anteil an den gesamten deutschen Exporten weit unter einem Prozent und von ehemals 400.000 Arbeitsplätzen in Ost- und Westdeutschland sind nur noch etwa 80.000 übrig geblieben.

In der deutschen Wirtschaft spielt die Waffenproduktion also nur eine kleine Nischenrolle. Wichtig ist sie trotzdem für eine Außenpolitik, die Waffenexporte als Werkzeug für vermeintliche deutsche Interessen nutzt. So wird Saudi-Arabien als politischer Gegenspieler der anderen regionalen Großmacht Iran aufgerüstet. Ein heikles Spiel.


Hermannus Pfeiffer ist freier Wirtschaftsjournalist in Hamburg.