UN erklären Hunger-Notstand in Südsomalia
Die Vereinten Nationen haben am Mittwoch für Teile Südsomalias offiziell den Hunger-Notstand ausgerufen. Landesweit sei fast die Hälfte der Somalier, 3,7 Millionen Menschen, akut bedroht, erklärte das UN-Büro zur Koordination der humanitären Hilfe in Nairobi.

Der Notstand wurde für die Gebiete Süd Bakool und Lower Schabelle infolge mehrerer Dürreperioden erklärt. Der UN-Nothilfe-Koordinator für Somalia, Mark Bowden, drängte die internationale Gemeinschaft, rasch umfassende Hilfe zu finanzieren. "Jeder Tag Verzögerung bei der Hilfe ist buchstäblich eine Frage von Leben und Tod für die Kinder und ihre Familien in den betroffenen Regionen", sagte er.

Nach Angaben des Hilfswerks Oxfam ist eine Milliarde US-Dollar (1,4 Milliarden Euro) nötig. Die bisherigen Zusagen der internationalen Gemeinschaft reichen laut UN bei weitem nicht aus. "Wenn wir jetzt nicht handeln, wird sich der Hunger wegen Missernten und Infektionskrankheiten in zwei Monaten von zwei auf alle acht Gebiete im Süden Somalias ausbreiten", warnte Bowden.

Jeden Tag sterben sechs von 10.000 Kindern

Die Unterernährungsrate bei Kindern in Somalia sei die höchste der Welt. In einigen Gebieten hungerten mehr als die Hälfte der Jungen und Mädchen. In den Notstandsgebieten Süd-Bakool und Lower Schabelle seien es mehr als 30 Prozent. Im Durchschnitt sterben nach seinen Angaben jeden Tag sechs von 10.000 Kindern unter fünf Jahren.

Die UN erklären den Hunger-Notstand, wenn mehr als 30 Prozent der Kinder in einer Region mangelernährt sind und mehr als zwei von 10.000 Kindern am Tag sterben. Der Süden Somalias steht weitgehend unter Kontrolle der islamistischen Al-Schabaab-Miliz, die Ende 2009 ausländische Helfer ausgewiesen und bedroht hatte. Erst vor wenigen Tagen nahmen die Machthaber ihre Drohung zurück und baten um Hilfe.

Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF sprach von der schlimmsten Ernährungskrise in Afrika seit 20 Jahren. Am gesamten Horn von Afrika sind rund elf Millionen Menschen betroffen. Die Organisation "Save the Children" warnte, dass eine Million Kinder als Folge der Krise sterben könnten.

Energiekekse für Schwangere und stillende Mütter

WFP-Chefin Josette Sheeran sagte vor einer Somalia-Reise, man wolle mit örtlichen Komitees über Sicherheitsgarantien für Helfer verhandeln. "Nur so können Nahrungsmittel und angereicherte Spezialprodukte die am meisten Gefährdeten - vor allem Kinder - erreichen."

Die UN-Organisation erwägt, Energiekekse und andere besonders nahrhafte Produkte für Kinder, Schwangere und stillende Mütter zu strategischen Orten im Süden Somalias zu fliegen. Dort sollen die Hilfsgüter von nichtstaatlichen Organisationen an Hungernde verteilt werden.

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) wies Kritik zurück, die Bundesregierung habe mit sechs Millionen Euro zu wenig Hilfe für die Opfer der Dürre bereitgestellt. "Wir beobachten die Situation weiterhin sehr genau", sagte er in einem vorab verbreiteten Interview der Wochenzeitung "Die Zeit". Zur Förderung der Landwirtschaft erhalte Kenia von 2010 bis 2013 ohnehin 138 Millionen Euro. Das sei wichtig, um solche Krisen in Zukunft zu vermeiden.

Amnesty: "Es ist eine Krise der Kinder"

Die Vizedirektorin von Amnesty International, Michelle Kagari, erklärte am Mittwoch in London: "In Somalia herrscht nicht nur eine humanitäre Krise, es ist eine Menschenrechtskrise und eine Krise der Kinder." Das Erstarken der radikal-islamischen Al-Schabaab-Miliz, die weite Teile des Landes kontrolliert, habe einen großen Anteil an der desolaten Situation der Kinder, sagte Kagari bei der Veröffentlichung eines Berichts zum Thema.

Die Miliz, die Kontakte zum Terrornetzwerk Al-Kaida unterhält, schnitt die Somalier in ihren Gebieten gezielt von internationaler Hilfe ab. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden gezielt entführt und getötet. Erst durch die Hungersnot lässt sie inzwischen wieder Hilfe zu. Kagari sagte, viele Kinder müssten für sich selbst sorgen, weil sie ihre Eltern verloren haben. Andere stürben wegen mangelnder medizinischer Versorgung.

Kinder müssen fürchten, auf dem Schulweg getötet zu werden

Amnesty forderte die Staatengemeinschaft auf, die Maßnahmen zum Schutz von Kindern in Somalia auszuweiten. Da viele Kinder schwer traumatisiert seien, müssten sie psychologische Betreuung erhalten. Vor allem Kinder, die von ihren Familien getrennt wurden, bräuchten spezielle Hilfe. "Dies ist ein endloser Konflikt, in dem Kinder täglich die unvorstellbarsten Schrecken erleben", betonte Kagari.

Für den Bericht befragte Amnesty mehr als 200 erwachsene und minderjährige somalische Flüchtlinge in Kenia und Dschibuti. Dabei gaben viele an, wegen der Zwangsrekrutierung von Kindern geflohen zu sein. Sowohl Al-Schabaab als auch die somalische Übergangsregierung, die lediglich Teile der Hauptstadt Mogadischus kontrolliert, setzen Kindersoldaten ein. Zudem werden laut Bericht immer wieder Mädchen dazu gezwungen, Kämpfer der Miliz zu heiraten.

Al-Schabaab schränken demnach auch das Recht auf Bildung massiv ein: Mädchen würden am Schulbesuch gehindert und einige Fächer seien aus dem Lehrplan genommen. Zudem müssten Kinder und Lehrer fürchten, auf dem Schulweg getötet zu werden. Viele Schulgebäude seien durch die Kämpfe zerstört worden.

Spendenkonten für die hungernden Menschen in Ostafrika

Diakonie Katastrophenhilfe: Konto 502 707, Postbank Stuttgart, BLZ 600 100 70. SMS mit NOT an 81190.

Caritas international: Konto 202, Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BLZ 660 205 00. SMS mit CARITAS an 81190.

Ärzte ohne Grenzen: Konto 97 0 97, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00.

UNICEF: Konto 300 000, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00.

Aktion Deutschland Hilft: Konto 10 20 30, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00. SMS mit ADH an 81190.

Kindernothilfe: Konto 45 45 40, KD Bank, BLZ 350 601 90.

Oxfam: Konto: 13 13 13 Bank für Sozialwirtschaft Köln BLZ 370 205 00.

Christoffel-Blindenmission: Konto 2020, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00.

Bündnis Entwicklung Hilft: Konto 51 51, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00

epd