"Ich will wissen, woher ich komme"
Die Suche nach den Wurzeln: Adoptierte Erwachsene wissen oft nichts über ihre leiblichen Eltern, entwickeln aber das dringende Bedürfnis, sie kennenzulernen.
19.07.2011
Von Andreas Rehnolt

"Irgendwann mit 21 oder 22 Jahren habe ich erfahren, dass ich ein Adoptivkind bin. Ich wollte danach einfach erfahren, woher ich komme und warum ich so bin". Franziska Walter aus Düsseldorf ist heute 30 Jahre alt und hat sowohl Kontakt zu ihren Adoptiveltern als auch zu ihren leiblichen Eltern. Die Bankangestellte ist eine von vielen adoptierten Menschen in Deutschland, die sich auf die Suche nach ihren Herkunftsfamilien machen.

Nach Angaben der Caritas Münster steigt die Zahl der Adoptierten, die nach ihren familiären Wurzeln suchen. Auch Angela Christians vom Verein Adoptierte im Rheinland glaubt, dass es "von Jahr zu Jahr mehr" Adoptierte werden, die ihre Geschichte ergründen wollen. "Das ist ja auch wichtig, um den eigenen Lebensweg aufzuschlüsseln", sagt sie.

Den Hauptgrund für die Zunahme sieht Christians in den Möglichkeiten und Chancen des Internet. "Das Internet ist ja erst mal ziemlich anonym. Für erste Informationen ist das wichtig. Da ist auch die Hemmschwelle sich zu öffnen niedriger", glaubt sie. Bei manchen Adoptierten dauere es nur wenige Wochen, bei anderen Jahre, bis sie die leiblichen Eltern finden. Christians selbst fand nach nur sechs Monaten ihre leiblichen Eltern.

Konflikt zwischen Suche und Datenschutz

Deutschlandweit aktiv ist die Bundesarbeitsgemeinschaft Adoptierte (BARGEA), die als Zusammenschluss von Selbsthilfegruppen und einzelnen Betroffenen agiert. Nach ihren Angaben gibt es in Deutschland etwa 530.000 adoptierte Personen. Die Arbeitsgemeinschaft fordert ein Recht des Menschen darauf zu wissen, woher er kommt. 1989 hatte das Bundesverfassungsgericht das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung festgelegt.

[listbox:title=Mehr im Netz[Bundesarbeitsgemeinschaft Adoptierte (BARGEA)]]

Die Kontaktaufnahme zur Herkunftsfamilie stellt für jeden Adoptierten "emotional eine hohe Hürde" dar, sagt Angela Christians. Nicht nur für die Adoptierten, sondern natürlich auch für Adoptiv- und Herkunftsfamilie. In ihrem eigenen Fall hätten beide Familien betont, sie wollten keinen Kontakt untereinander haben. Das müsse man akzeptieren. In jedem einzelnen Fall einer Adoptionsvermittlung habe es schließlich eine "schwierige Lebenssituation in der Herkunftsfamilie" gegeben. Zudem müsse man als Adoptierter wissen, dass man in der leiblichen Familie "als Schatten auch immer weiter mitlaufe".

Allerdings treffen bei der Herkunftssuche verschiedene Interessen aufeinander und im Konflikt zwischen Suche und Datenschutz könne das Recht auf Kenntnis nicht immer vorrangig sein. So gehören etwa Fragen nach dem Wohnort möglicher Geschwister oder dem jetzigen Wohnsitz der leiblichen Eltern nicht zum Kenntnisrecht der Suchenden, erklärt ein Sprecher der BARGEA. Nach Erkenntnissen der Organisation suchen deutschlandweit rund 25 Prozent der Adoptierten. Der überwiegende Anteil der Suchenden sei weiblich.

"Wenn die Adoptierten es wünschen, erhalten sie Unterstützung bei der Suche nach leiblichen Verwandten", sagt Gesine Wischerhoff vom evangelischen Verband für Adoptions- und Pflegekindfamilien. Vielfach ist es nach Angaben von Beratungsstellen allerdings so, dass Adoptierte dann, wenn sie einige Einzelheiten über die Herkunftsfamilie erfahren haben, doch wieder von einer Kontaktaufnahme Abstand nehmen.

epd