US-Schuldenstreit: Die große Angst vor dem "AAA"-Verlust
Das Hin und Her um die Schuldengrenze mag wie der Prolog für den US-Präsidentenwahlkampf 2012 wirken. Der Streit könnte aber ernster kaum sein. Allein das politische Gezerre bringt die Kreditwürdigkeit des Landes in Gefahr - und damit die ganze Wirtschaft.
18.07.2011
Von Marco Mierke

"Weltuntergang" ist keines der Wörter, die US-Präsident Barack Obama wahllos in den Mund nimmt. Nach einer frustrierenden Woche voller vergeblicher Verhandlungen um die Erhöhung der Schuldengrenze seines Landes schien er aber keine andere Vokabel mehr zu finden, um den Ernst der Lage auszudrücken.

"Lasst uns wenigstens den Weltuntergang verhindern", flehte er die Kongressführer, vor allem der oppositionellen Republikaner an. Der Mann im Weißen Haus weiß genau: Das politische Geschacher über das Kreditlimit der USA ist ein riskantes Spiel mit dem Feuer.

Zwar beteuern alle Seiten, die Schuldenobergrenze am Ende selbstverständlich anzuheben - wie die letzten 89 Male seit ihrer Einführung im Jahr 1939. Und kaum jemand zweifelt daran, dass dies rechtzeitig zum 2. August klappen wird. Doch schon die Debatte darüber schadet dem Land mehr, als es seinen politischen Führern lieb sein kann.

Auch nur leicht höhere Zinsen könnten die USA massiv belasten

"Die tiefe Spaltung schafft ein großes Maß an Unsicherheit", kritisierte die Ratingagentur Moody's am Montag in einer Analyse. Nicht erst die Zahlungsunfähigkeit, schon ihre schiere Möglichkeit könne dem reichsten Land der Erde seine Kreditwürdigkeit kosten. Moody's Konkurrent Standard & Poor's ging sogar einen Schritt weiter: Jetzt, da die Büchse der Pandora geöffnet sei, könne sie nur mit einem konkreten Plan zum langfristigen, massiven Defizitabbau wieder geschlossen werden.

Die Regierung hört solche Äußerungen mit Grausen. Seit Monaten versucht sie, die Agenturen zu besänftigen und an negativen Veröffentlichungen zu hindern, schrieb die "Washington Post" jüngst.

Der Verlust der von den Finanzrichtern vergebenen Topnote "AAA" hätte nämlich deutlich spürbare Folgen. Der Staat müsste erheblich mehr Zinsen für Kredite zahlen, die Schuldenspirale würde sich weiter beschleunigen. Nur 0,25 Prozentpunkte höhere Zinsen lassen die Finanzierungskosten sofort um 27 Milliarden Dollar jährlich steigen. 2015 lägen die Mehrkosten nach Regierungsangaben bei 37 Milliarden.

Doch nicht nur der Bundeshaushalt würde unter steigenden Zinsen leiden, das Volk wäre ebenso betroffen. Immobiliendarlehen, Auto- oder Studentenkredite, Kreditkartenraten oder selbst von Städten finanzierte Straßenbauten - vieles würde teurer, manches unbezahlbar.

Die Amerikaner sparen schon für schlechte Zeiten

Das Prekäre dabei: Die US-Wirtschaft hängt zum Großteil vom Konsum seiner Bürger ab, doch die achten schon jetzt mehr aufs Geld denn je. In der aktuellen Wirtschaftsflaute sanken die Ausgaben abseits der lebensnotwendigen wie für Wohnung und Essen um sieben Prozent, ermittelte die New Yorker Zentralbank. Steigende Kosten wären da Gift.

Die Amerikaner haben zudem Angst vor China. Das Land hält viele amerikanische Staatsanleihen. Wenn die Chinesen ihr Geld zurückfordern, geht Amerika pleite, das ist die Angst, die in der öffentlichen Debatte immer mitschwingt. Obamas Einladung an den Dalai Lama (Bild links, Foto: dpa) wirkte in diesem Licht wie eine gezielte Demonstration an China: Seht her, wir haben keine Angst vor euch. Der Dalai Lama ist eine Reizfigur für China, weil er das Oberhaupt der Tibeter ist, deren Zugehörigkeit zu China umstritten ist.

Die Verteufelung des Defizits durch Politiker im laufenden Streit über die Schuldengrenze lässt die Bürger zudem nicht unbeeindruckt. Sich Wünsche auf Pump zu erfüllen, sei auch dadurch aus der Mode gekommen, lieber legten die Amerikaner ihr Geld nun aufs Sparkonto, meint der Fachkolumnist der "New York Times", David Leonhardt. Der Trend werde der Konjunktur auf unbestimmte Zeit zu schaffen machen: "Die alte Konsumökonomie ist weg und sie kommt auch nicht wieder."

Ohne wirtschaftliche Erholung ist der Weg aus dem Schuldendilemma jedoch sehr steinig. Ein Wachstum ließe die Steuereinnahmen steigen, die Sozialausgaben sinken und das Defizit bei solider Finanzpolitik schrumpfen. Der letzte Präsident, der davon profitierte, war Bill Clinton. Er vollbrachte es in seiner Amtszeit bis 2001 gar, Schulden abzubauen. Wie sich zeigt, gilt sein Leitmotiv auch unter Obama: "It's the economy, stupid" - "es geht um die Wirtschaft, Dummkopf".

dpa/evangelisch.de