Im bewaffneten Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha hat der Internationale Gerichtshof (IGH) beide Seiten zum Rückzug ihrer Truppen vom umstrittenen Territorium aufgefordert. Thailand und Kambodscha sollen eine entmilitarisierte Zone rings um die Hindu-Tempelanlage Preah Vihear akzeptieren und jedwede militärische Handlung unterlassen. Das erklärte IGH-Präsident Hisashi Owada aus Japan am Montag im Friedenspalast in DenHaag.
Für diese völkerrechtlich bindende Aufforderung stimmten 11 der 16 Richter des höchsten Gerichtshofes der Vereinten Nationen. 15 UN-Richter forderten zugleich Thailand auf, Kambodschas freien Zugang zu dem Tempel nicht länger zu stören und die Versorgung der Anlage mit zivilen Gütern nicht zu behindern.
Das Urteil ist bindend, kann aber nicht durchgesetzt werden
Einstimmig wies der IGH den Antrag Thailands zurück, die von Kambodscha eingereichte Klage abzuweisen. Allerdings konnte sich auch die kambodschanische Regierung nicht voll durchzusetzen. Sie hatte bei dem Gerichtshof im April eine einstweilige Anordnung allein an Bangkok zum sofortigen und bedingungslosen Rückzug der thailändischen Truppen aus der Umgebung des Tempels beantragt. Dazu hörte der IGH Vertreter beider Regierungen an.
Der Grenzstreit zwischen Thailand und Kambodscha schwelt seit Jahrzehnten. Im Februar hatte der UN-Sicherheitsrat nach einem erneuten Aufflammen von Kämpfen mit mehreren Toten einen Waffenstillstand gefordert.
Obwohl das Urteil bindend für beide Seiten ist, hat das Gericht in Den Haag keine eigenen Machtmittel, seine Einhaltung notfalls zu erzwingen. Allerdings hatten beide Seiten signalisiert, den Spruch des IGH akzeptieren und erfüllen zu wollen. Das UN-Gericht rief die Regierungen in Bangkok und Phnom Penh auf, offiziell über die Einhaltung des Urteils zu informieren.
Der Grenzverlauf ist unklar
Die beiden südostasiatischen Staaten streiten parallel auch über Einzelheiten des Grenzverlaufs. Der IGH betonte jedoch, dass die Festlegung der entmilitarisierten Zone rings um das Hindu-Heiligtum Preah Vihear sowie die Aufforderung zum Truppenrückzug an beide Länder keine Vorentscheidung darstellt.
Kambodscha hatte das Gericht nach wiederholten Scharmützeln zwischen Truppen beider Länder am 28. April gebeten, die IGH-Entscheidung von 1962, dass der Tempel Kambodscha gehört, klarer zu interpretieren. Das Urteil dazu steht noch aus. Thailand hatte erklärt, es akzeptiere zwar Kambodschas 1962 vom IGH bestätigtes Eigentumsrecht an dem Tempel, jedoch erhebt Bangkok ebenso wie Phnom Penh Ansprüche auf das 4,6 Quadratkilometer große Gebiet rings um die Tempelanlage.