TV-Tipp des Tages: "Arnies Welt" (ARD)
Der Film zeigt eine Reihe von Porträts, die Regisseur Kleefeld fast episodisch aneinander reiht. Jede Figur hat ihren Auftritt, so dass "Arnies Welt" fast zum Ensemblefilm wird.
18.07.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Arnies Welt", 20. Juli, 20.15 Uhr im Ersten

Die Geschichte ist schlicht und doch enorm komplex. Vordergründig geht es um einen rätselhaften Autounfall. Hintergründig aber ist "Arnies Welt" ein Sittengemälde aus der Eifel, in dessen Mittelpunkt eine zerrüttete Ehe steht. Die literarische Vorlage des Films ist stets zu spüren (er basiert auf dem gleichnamigen Roman von Maeve Carles): Praktisch alle Figuren bringen eine eigene Geschichte mit. Der Postbote (Matthias Brandt) ist ein Spanner, eine alte Bäuerin (Friederike Frerichs) schreibt anonyme Briefe, die Frau (Caroline Peters) des örtlichen Polizeichefs ist Kleptomanin und nimmt Psychopharmaka, ihr Mann (Jörg Schüttauf) trägt Kummer und Liebe lieber zur Leiterin des Kinderheims (Barbara Philipp). Und so hat jeder seine Macke; außer Arnie.

Der ist sieben und muss die Osterferien auf dem Bauernhof seiner Großeltern verbringen. Bei einem Streifzug beobachtet er einen Unfall; eines der beiden Autos fliegt durch die Luft und explodiert, der Fahrer wird herausgeschleudert und stirbt kurz darauf. Der zweite (Enno Hesse) versteckt seinen Wagen voller Diebesgut in einer Scheune, ruft die Polizei und erzählt, der Tote sei einem Reh ausgewichen. Der Kommissar nimmt ihm die Geschichte ab: Der verstorbene Kollege (Hinnerk Schönemann) hatte unmittelbar vor dem Unfall seinen Ausstand gefeiert und war alles andere als nüchtern.

Arnie soll aus dem Weg geräumt werden

Doch das ist bloß der Auftakt zu einer Reihe von Porträts, die Kleefeld fast episodisch aneinander reiht. Jede Figur hat ihren Auftritt, so dass "Arnies Welt" fast zum Ensemblefilm wird. Erst als der kleine Junge verschwindet und die Polizistengattin ahnt, dass er womöglich als lästiger Zeuge aus dem Weg geräumt werden soll, springen die Dorfbewohner über ihren Schatten und begraben Vorbehalte und Feindschaften; sogar das Ehepaar findet wieder zueinander.

Kleefelds Erzähltempo ist der Umgebung angemessen: In der tiefsten rheinischen Provinz ticken die Uhren einfach langsamer. Eine stimmungsvolle Musik (oft bloß akustische Gitarre oder Klavier) sorgt gemeinsam mit den sparsamen Dialogen dafür, dass der Film eine ganz eigene Atmosphäre entwickelt.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).