Wie wird man bloß diesen Gaddafi los?
Die Libyen-Kontaktgruppe tagt bereits zum vierten Mal auf Außenministerebene. Doch ein Ende des Blutvergießens ist nicht in Sicht. Beim Treffen in Istanbul herrscht eine gewisse Ratlosigkeit. Dass die Rebellen militärisch siegen könnten, daran glaubt offenbar niemand. Noch mischt sich die internationale Gemeinschaft aber nicht noch weiter in den Krieg ein.

Auch knapp vier Monate nach Beginn der Nato-Luftangriffe suchen die Bündnispartner weiter nach Lösungen für ein Ende des Machtkonflikts in Libyen. Beim vierten Treffen der so genannten Libyen-Kontaktgruppe am Freitag in Istanbul versuchten die Außenminister, den politischen Druck auf das Regime in Tripolis zu erhöhen. Die Stimmung war eher gedrückt. Denn einige der anwesenden Diplomaten, zu denen auch US-Außenministerin Hillary Clinton gehörte, hatten insgeheim auf einen schnelleren Kollaps des Regimes spekuliert.

Stattdessen wird in Libyen auch nach fast fünf Monaten Aufstand noch an mehreren Fronten gekämpft. Die Nato hatte zwar zuletzt erklärt, die Einheiten von Muammar al-Gaddafi seien durch die Luftschläge des Bündnisses in ihrem Operationsradius bereits stark eingeschränkt. Sie sind jedoch immer noch in der Lage, den Vormarsch der Rebellen auf Tripolis aufzuhalten.

Der Übergangsrat der Aufständischen in Bengasi hatte vor Beginn der Konferenz betont, jede Diskussion über eine politische Lösung der Krise könne sich nur auf eine Zukunft Libyens ohne Gaddafi und seine Familie beziehen. Das sehen inzwischen wohl auch zahlreiche afrikanische und arabische Staaten so. Jedenfalls war die Zahl der Teilnehmer des Treffens der Libyen-Kontaktgruppe diesmal deutlich höher als beim letzten Mal. Zu den Staaten, die Delegationen entsandt hatten, gehörten Libyens Nachbarland Tunesien, Ägypten, Bahrain und der Sudan. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hielt sich am Freitag in Mexiko auf und ließ sich in Istanbul vertreten.

Wie wird man bloß Gaddafi los?

Der Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Abdullah bin Said al-Nahjan, erklärte, es sei wichtig, dass noch mehr Staaten den Übergangsrat als einzig legitime Vertretung des libyschen Volkes anerkennen. "Um die Vision eines neuen Libyen zu verwirklichen, ist mehr Druck nötig und es müssen noch größere Anstrengungen unternommen werden." Gaddafi müsse sofort die Macht abgeben.

Auf der diplomatischen Ebene könnte es für die libyschen Aufständischen derzeit also kaum besser laufen. Immer mehr Staaten erkennen ihre Übergangsregierung in Bengasi an, und diesmal saßen auch die arabischen Staaten mit am Tisch, die sich bislang um eine neutrale Haltung im Konflikt zwischen den Aufständischen und dem Gaddafi-Regime bemüht hatten. Der Chef der tunesischen Delegation betonte zwar, er sei nur als Beobachter gekommen. Doch immerhin stellte er sich während der Konferenz in Istanbul mit den Franzosen und anderen Vertretern der Gaddafi-Raus-Fraktion zum Familienfoto auf.

Sogar finanziell bewegt sich etwas. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu rief jetzt dazu auf, der Übergangsregierung möglichst rasch einen Teil des eingefrorenen libyschen Auslandsvermögens zukommen zu lassen. Auch der Fahrplan der libyschen Aufständischen für eine Umwandlung ihres Landes in eine Demokratie fand international viel Beifall. Nur für ihr Kernproblem haben die Aufständischen und ihre Sympathisanten von Washington bis Abu Dhabi keine Lösung: Wie wird man nur diesen hartleibigen Gaddafi los?

Die Rebellen können militärisch nicht gewinnen

Die Diplomaten und ihre libyschen Gesprächspartner wirken bei ihren Diskussionen über eine "Vision für ein neues Libyen" derzeit ein wenig wie Kaffeetanten, die eine noch nicht gebackene Sahnetorte verteilen. "Gaddafi ist alles zuzutrauen, er ist unberechenbar, selbst wir Libyer, die wir seine Herrschaft fast 42 Jahre lang ertragen mussten, wissen nie, was er als nächstes tun wird", erklärt ein Angehöriger der Delegation der Übergangsregierung.

Er hofft, dass Gaddafi noch vor Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan Anfang August gestürzt wird - von den Rebellen und ihren Unterstützern in Tripolis. "Einfach wird es nicht werden - denn in Tripolis gibt es keine Waffen in den Händen der Bevölkerung", sagt er.

Der Mangel an Waffen und militärischer Ausbildung ist auch der Hauptgrund dafür, dass der Vormarsch der Rebellen auf Tripolis nicht richtig in Gang kommt. "Fakt ist, Gaddafi sitzt immer noch in Tripolis, das ist die Realität, auf der wir aufbauen müssen", erklären westliche Konferenzteilnehmer. Gaddafi, der versucht, die Libyer mit Märtyrer-Fantasien und Durchhalteparolen bei der Stange zu halten, ist für sie jedoch kein Gesprächspartner mehr.

Die Aufständischen hoffen derweil, dass das Gaddafi-Regime in den kommenden Wochen noch stärker von innen ausgehöhlt wird. "Es gibt viele Funktionäre in hohen Positionen, die gegen Gaddafi sind, die sich aber aus Angst um ihr Leben und ihre Familien nicht trauen, sich offen gegen ihn zu stellen", sagt ein Mitglied der libyschen Delegation. Der Aktivist im Maßanzug stammt aus Tripolis. "Es wäre schön, wenn wir das nächste Treffen nicht im Ausland, sondern in Tripolis abhalten können", sagt er, aber sehr überzeugt klingt er nicht.

dpa