Herrenwitze im Hawaiihemd: Jürgen von der Lippe
Der einstige Superstar Jürgen von der Lippe, bärtiges Unikum der deutschen TV-Unterhaltung mit 700 Hawaiihemden, versucht erneut ein Comeback. Heute abend, Freitag, 15. Juli, startet sein nächster Versuch: "Ich liebe Deutschland" auf Sat.1.
15.07.2011
Von Cornelia Wystrichowski

An die 700 Hawaiihemden hat Jürgen von der Lippe im Lauf seiner langen Karriere bereits aufgetragen, schätzt er selber. Jetzt kommen noch ein paar dazu: Vom 15. Juli an moderiert der bekennende Hypochonder und begeisterte Hobbykoch die neue Show "Ich liebe Deutschland" (Sat.1). Immer freitags um 20.15 Uhr soll der 63-Jährige mit der urwüchsigen Gesichtsbehaarung und dem zwischen Grasnarbe und Germanistikseminar pendelndem Humor das zelebrieren, was er "eine Bildungsparty zum Thema Deutschland" nennt – prominente Kandidaten wie TV-Schönheit Sonya Kraus und Nachrichtensprecher Marc Bator müssen sich dabei als Heimatkenner beweisen. Für Jürgen von der Lippe ist die sechsteilige Reihe aber vor allem eines: Ein neuer Comebackversuch nach etlichen Flops.

In seiner Glanzzeit in den 90ern wurde der Entertainer in einem Atemzug mit TV-Größen wie Rudi Carrell oder Thomas Gottschalk genannt, die Zuschauer liebten seine Shows wie "Geld oder Liebe". Doch 2001 machte Jürgen von der Lippe einen verhängnisvollen Fehler: Er wechselte von der ARD zu Sat.1. Gleich sein erstes Projekt für den Privatsender, die Show "Blind Dinner", war ein bitterer Flop.

Blödelbarde mit kleinen Brötchen

"Ich habe daraus gelernt, dass ich keinesfalls unfehlbar bin. Das ist etwas, was mir vorher nicht bekannt war, denn bis dahin hatte ich mich beruflich nicht geirrt", sagte er später freimütig. An das Gefühl der Niederlage musste er sich indes gewöhnen, denn auch andere Projekte wie die Blödelsendung "Hart & heftig" (Sat.1), die derbe Comedyserie "Der Heiland auf dem Eiland" (RTL), in der er einen strafversetzten Pfarrer spielte, oder seine Spielshow "Extreme Activity" (Pro Sieben) brachten nicht den erhofften Erfolg.

Der einstige Superstar musste kleinere Brötchen backen. Unter anderem hatte er einen Gastauftritt in der ARD-Serie "In aller Freundschaft" und moderierte abseits der großen Showbühne, etwa im MDR-Fernsehen. Dort nahm er in seiner Sendung "Frei von der Lippe" Sprachschnitzer aufs Korn – immerhin hat Jürgen von der Lippe ja mal Germanistik studiert. Sein Studium hat er allerdings nie abgeschlossen, denn als er seine humoristischen Auftritte begann, merkte der begabte Blödelbarde ("Guten Morgen, liebe Sorgen") schnell, dass er mit Gitarre und Barhocker zugleich Geld verdienen und Spaß haben konnte.

Der Mann, der 1948 in Bad Salzuflen als Sohn eines Barkeepers zur Welt kam und bürgerlich Hans-Jürgen Dohrenkamp heißt, legte sich den Künstlernamen Jürgen von der Lippe zu. Er war in den 70ern Gründungsmitglied der legendären Gebrüder Blattschuss (die mit dem Blödel-Gassenhauer "Kreuzberger Nächte"), in den 80ern kam er zum Fernsehen und wurde zu einem Unikum der TV-Unterhaltung. Allerdings veröffentlichte der Entertainer parallel weiterhin Alben und ging mit Soloshows auf Tournee, auch 2011 ist sein Kalender proppenvoll.

"Im Sakko ist mir schlicht zu warm"

Deshalb glaubt man ihm auch, wenn er durchblicken lässt, dass ihn der Knick in seiner Fernsehkarriere nur bedingt betrübt – und als Mann, der von 1986 bis 1988 in zweiter Ehe mit Margarethe Schreinemakers verheiratet war, hat Jürgen von der Lippe ja ohnehin bewiesen, dass ihn nichts so leicht aus der Ruhe bringt.

Was seine neue Show "Ich liebe Deutschland" angeht, ist der Meister des gepflegten Herrenwitzes aber guter Dinge: "In jedem Menschen steckt ein kleiner Klugscheißer, und deshalb sind Quizsendungen im Fernsehen auch so beliebt", sagt er. Natürlich wird der 63-jährige Entertainer in der aus Holland importierten Show, die von der Firma des "Big Brother"-Erfinders John de Mol stammt und bereits in anderen Ländern wie China, Polen und Griechenland lief, wieder seine legendären Hawaiihemden tragen. "Das hat sich für mich zur Berufskleidung entwickelt und ist außerdem bequem. Mit ist es im Sakko im Fernsehen schlicht und ergreifend zu warm", erklärt er. Für seine Bequemlichkeit betreibt der Moderator einigen Aufwand: Damit das Ganze auch stilecht ist, lässt sich der 63-Jährige die bunten Hemden eigens aus Amerika liefern.


Cornelia Wystrichowski ist freie Medienjournalistin in Berlin.