Gedanken zur Woche: Macht Mähdrescher aus Panzern!
Die geplante deutsche Panzerlieferung an Saudi-Arabien sorgt für heftige Diskussionen. Das ist gut so, findet Pfarrer Jost Mazuch in den "Gedanken zur Woche" im Deutschlandfunk. Und vielleicht lässt sich das Rüstungsgeschäft ja noch verhindern.
14.07.2011
Von Jost Mazuch

Sie fliehen vor den Panzern, vor Granaten, Gewehren, Minen. Und oft, viel zu oft, sind es Waffen aus
Deutschland, die ihre Häuser, ihre Heimat zerstören, ihre Angehörigen töten und sie selbst an Leib und
Seele verwunden. Opfer der Kriege, der Bürgerkriege in aller Welt. Manche von ihnen kommen als
Flüchtlinge bis zu uns nach Deutschland, einige auch nach Köln.

Die Gewalt hat ihr Leben beschädigt

Wenn ich als Flüchtlingsbeauftragter meiner Kirche mit ihnen spreche, dann spüre ich auch noch nach Jahren, wie sehr die Gewalt des Krieges ihr Leben beschädigt hat. Dann sehe ich in ihren Gesichtern etwas von dem, was da in den Kriegsregionen geschieht, die sonst für mich so weit weg sind. Kosovo. Kongo. Iran. Pakistan. Afghanistan. Libyen. Die Liste lässt sich lange fortsetzen. Am Ende der Kriege stehen immer Opfer. Menschen, die getötet, verletzt, seelisch verwundet wurden.

Sie habe ich vor Augen, wenn ich in dieser Woche von den Panzern höre, die aus unserem Land nach Saudi-Arabien geliefert werden sollen. Diese Panzer sind nicht irgendein Exportartikel. Sie sind hocheffiziente Kriegsmaschinen, konstruiert, um Menschen zu töten, andere Panzer, Flugzeuge, Dörfer und Städte zu zerstören. Ich möchte mir nicht vorstellen müssen, dass deutsche Leopard-Panzer irgendwann aufrollen gegen Menschen, die auch in Saudi-Arabien Demokratie fordern, oder in einem Krieg in dieser instabilen Region.

Deshalb bin ich froh, dass dieses geplante Geschäft nicht so geräuschlos über die Bühne geht wie so viele andere Rüstungsexporte. Vielleicht ist es ja noch zu verhindern. Viele kritische Stimmen haben sich in dieser Woche dazu zu Wort gemeldet, auch aus den Kirchen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, sagte: „Die geplante Lieferung nach Saudi-Arabien ist vor allem deshalb sehr bedenklich, weil in diesem Land eine sehr fragile und problematische Menschenrechtssituation vorliegt.“ Und er verwies auf die grundsätzliche Haltung der Evangelischen Kirche: "Rüstungsexporte tragen zur Friedensgefährdung bei."

Wie viel Hoffnung und Rückgrat haben wir?

Natürlich kenne ich auch die Gegenargumente. Da sind politische und wirtschaftliche Interessen im Spiel, Milliardengeschäfte und viele Arbeitsplätze. Wenn wir nicht liefern, so heißt es, kauft Saudi-Arabien die Panzer eben in Russland. Das mag so sein. Aber ich meine, hier geht es nicht nur um eine einzelne politische Entscheidung. Es geht auch um die Frage: Wie viel Hoffnung und wie viel Rückgrat haben wir? Können wir uns überhaupt eine Welt vorstellen, in der Kriege vermeidbar sind? In der es das Ziel der Politik ist, dass immer weniger Panzer hergestellt werden – und nicht möglichst viele?

Es gibt in der Bibel eine alte, starke Vision: Eines Tages werden die Menschen ihre Schwerter zu
Pflugscharen umschmieden und aus ihren Lanzen Winzermesser machen, und sie werden nicht mehr
lernen, wie man Krieg führt (Micha 4,3). Warum? Weil Frieden, nicht Krieg, unsere menschliche
Bestimmung ist. Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein, erklärte die erste Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1948 in Amsterdam. So haben es die Kirchen endlich verstanden, nachdem sie über Jahrhunderte selbst in Krieg und Gewalt verstrickt waren. Darum setzen sie sich auch dafür ein, die Rüstungsproduktion herunterzufahren und Waffenexporte stärker zu kontrollieren.

Schwerter zu Pflugscharen, Panzer zu Mähdreschern, Werkzeugkisten statt Karabiner – es wird viel Phantasie und Mut nötig sein, damit die milliardenschweren Rüstungsaufträge durch sinnvollere, verantwortbare Produkte ersetzt werden. Ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass dies möglich wird. Viele Kriegsflüchtlinge kommen in unser Land, weil sie wissen, dass hier Frieden herrscht und die Menschenrechte respektiert und geschützt werden. Es wird Zeit, dass auch über Rüstungsexporte zuerst nach diesen Kriterien entschieden wird: Was dient dem Frieden und den Menschenrechten? Ich meine: Das sind wir den Opfern der Kriege schuldig.


Diese Andacht von Pfarrer Jost Mazuch aus Köln lief am Freitagmorgen in der Rubrik "Gedanken zur Woche" im Deutschlandfunk. (Foto: rundfunk.evangelisch.de)