Die Aufnahme des jüngsten Staates, der erste Zugang für die Staatengemeinschaft seit fünf Jahren, ist seit langem eine ausgemachte Sache. Noch am Tag der Unabhängigkeit des Südsudans am Samstag hatte Präsident Salva Kiir per Brief UN-Generalsekretär Ban Ki Moon um Aufnahme in die "ehrwürdige Organisation" gebeten. Nach dem grünen Licht des Sicherheitsrats gilt auch die Zustimmung der Vollversammlung, die als "Parlament" der noch 192 Nationen am Donnerstag das letzte Wort hat, als sicher. Noch am selben Tag soll dann die vielfarbige Flagge des Südsudans am New Yorker East River wehen.
Trübe Aussichten für Taiwan
Für junge Staaten gilt es stets als größte Anerkennung, in die Weltgemeinschaft aufgenommen zu werden. Ein Selbstläufer ist das nicht. Das Kosovo zum Beispiel ist von nicht einmal der Hälfte der UN-Mitglieder als unabhängiger Staat anerkannt. Auch die Republik China, besser bekannt als Taiwan, bemüht sich seit Jahrzehnten um einen UN-Sitz, nachdem die Inselrepublik 1971 ihren an die kommunistische Volksrepublik verloren hatte. Die Aussichten sind für beide trübe.
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50 Staaten unterzeichneten 1945 in San Francisco die Charta der Vereinten Nationen. Zuletzt trat vor fünf Jahren Montenegro bei, vier Jahre zuvor waren es Osttimor und die Schweiz. Mit dem Südsudan steigt die Zahl der UN-Mitglieder auf 193. Erster Gratulant zu dem "historischen Ereignis" war Westerwelle: "Ich freue mich, dass der junge Staat die Verpflichtungen der UN-Mitgliedschaft annimmt", sagte der Deutsche als Ratspräsident.
Ein unkompliziertes Mitglied ist das Land nicht. Die Spannungen zwischen dem arabisch geprägten Norden und dem rohstoffreichen, aber kaum erschlossenen "schwarzen" Süden sind mit Händen greifbar. Kein Wunder, dass die UN-Mission UNMIS zwar offiziell aufgelöst wird, aber sofort mit zwei neuen Kontingenten im Norden und im Süden Sudans weitermacht. Dass das neue Mitglied schnell aus der Rolle des Sorgenkindes herauswächst, erwartet in New York niemand. Von "gewaltigen Herausforderungen" für die "schwachen Institutionen" des jungen Staates spricht UN-Chef Ban: "Wie jedes Neugeborene braucht auch der Südsudan Hilfe".
Die brisante Baustelle Syrien
In die Zeit des deutschen Vorsitzes im UN-Sicherheitsrat fallen aber noch ganz andere Baustellen. Eine heißt Syrien und hat mit den Angriffen auf die Botschaften der USA und Frankreichs in Damaskus neue Brisanz bekommen. Schnell verurteilte der Sicherheitsrat am Dienstag die Ausschreitungen - um eine Resolution gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad wird dagegen seit Monaten gerungen.
Vor allem die sogenannten BRICS-Staaten - Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika - gelten als Bremser. Ein Grund: Ihnen geht der vom Sicherheitsrat abgesegnete Nato-Militäreinsatz in Libyen zu weit. "Es ist nicht ganz verständlich, warum sich einige Länder der Resolution verweigern", sagte ein westlicher Diplomat. "Schließlich geht es im vorliegenden Entwurf nur um eine förmliche Verurteilung. Sanktionen sind gar nicht vorgesehen." Menschenrechtler sehen es noch etwas pointierter: "Die BRICS-Staaten sollten erklären", sagt Philippe Bolopion von Human Rights Watch, "warum Angriffe auf Botschaften eine Angelegenheit des Sicherheitsrates sind, nicht aber Tötung und Folter hunderter Zivilisten durch die syrische Regierung."
Der Südsudan wiederum war bereits am Wochenende von zahlreichen Staaten anerkannt worden, unter ihnen die USA und Deutschland. Die Regierung im islamisch-arabisch geprägten Nordsudan hatte mehr als zwei Jahrzehnte lang Krieg gegen Rebellen im Süden geführt, in dem vorwiegend Anhänger afrikanischer Religionen sowie Christen leben. Mehr als zwei Millionen Menschen kamen dabei ums Leben. Ein Friedensabkommen beendete im Jahr 2005 den Konflikt. Im Januar 2011 sprachen sich in einem Referendum rund 99 Prozent der Südsudanesen für die Unabhängigkeit aus. Der Norden und der Süden streiten noch über den genauen Grenzverlauf und die Verteilung von Ölvorkommen.
Wie man UN-Mitglied wird
Voraussetzung für die Aufnahme eines Landes in die Vereinten Nationen ist ein förmlicher Antrag an den UN-Generalsekretär, der ihn an den Sicherheitsrat weiterleitet. Der Rat schlägt das Land der Vollversammlung vor, was aber nicht selbstverständlich ist. Es lagen schon Aufnahmeanträge von international nicht anerkannten Staaten vor, die nicht befürwortet wurden. Der Präsident des Sicherheitsrates, derzeit Bundesaußenminister Guido Westerwelle, begründet kurz den Aufnahmeantrag und lässt dann abstimmen. Das geschieht per Akklamation. Meldet sich niemand mit einem Einwand zu Wort, gilt die Zustimmung als ausgesprochen.
Das letzte Wort liegt bei der Vollversammlung. Stimmt das "UN-Parlament" zu, wird die Fahne des neuen Mitglieds noch am selben Tag aufgezogen. Das Land ist dann gleichberechtigtes Mitglied in der Vollversammlung und darf sich in die Unterorganisationen und Ausschüsse wählen lassen. Es kann sich auch um einen der zehn nichtständigen Sitze im Sicherheitsrat bewerben, von denen jedes Jahr fünf vergeben werden. Es gibt nur einen einzigen international anerkannten Staat, der nicht Mitglied der UN ist: Der Vatikanstaat beschränkt sich auf eine Beobachterrolle.