Katholische Bischöfe lassen Missbrauchsfälle untersuchen
Mit einer groß angelegten Untersuchung will die katholische Kirche in Deutschland einem "Spiegel"-Bericht zufolge dem sexuellen Missbrauch durch Priester und Ordensleute nachgehen. Die Bischöfe werden dazu dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen in allen 27 Diözesen Zugriff auf sämtliche Personalakten der vergangenen zehn Jahre gewähren, zusätzlich in neun der 27 Bistümer bis in das Jahr 1945 zurück, wie das Hamburger Nachrichtenmagazin am Wochenende vorab berichtete.

Unterdessen ging am Samstag in Mannheim das zweitägige Gesprächsforum unter dem Titel "Im Heute glauben" zu Ende, mit dem die Deutsche Bischofskonferenz einen auf fünf Jahre angelegten Dialogprozess startete.

Laut "Spiegel" hat die Bischofskonferenz die Untersuchung durch das Kriminologische Forschungsinstitut am 20. Juni beschlossen. Kirchenmitarbeiter würden unter Aufsicht eines Teams des Instituts, bestehend aus pensionierten Staatsanwälten und Richtern, die Akten auf Hinweise zu sexuellen Übergriffen durchsuchen. In einem zweiten Schritt solle das Team die Verdachtsakten auswerten. Außerdem seien Interviews mit Opfern und Tätern geplant, sofern diese dazu bereit sind.

Poisitve Bilanz des ersten Gesprächsforums

Mit der Studie wolle die Bischofskonferenz ermitteln, unter welchen Umständen es zu den Taten gekommen ist, wie die Kirche damit in der Vergangenheit umgegangen ist und welche Schlüsse sich ziehen lassen, um neue Fälle zu verhindern. In einer weiteren Studie werde eine Psychiatergruppe um den Essener Gerichtsgutachter Norbert Leygraf eine Auswertung von rund 50 Fällen vorlegen, in denen Priester und Ordensleute unter dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs vor Gericht standen und dafür psychiatrisch untersucht wurden.

Teilnehmer des Gesprächsforums in Mannheim äußerten sich am Samstag zufrieden mit dem Auftakt des Dialogprozesses. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sagte, die zweitägige Veranstaltung mit 300 Teilnehmern habe stilbildend gewirkt und werde nicht fruchtlos bleiben - "das kann man nicht in die Tube zurückdrücken". Die Bischofskonferenz hatte den Dialogprozess, der bis 2015 angelegt ist, im vergangenen Jahr unter dem Eindruck der Missbrauchsskandale in katholischen Einrichtungen beschlossen.

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sagte in Mannheim, künftig solle jedes Jahr eine vergleichbare Veranstaltung stattfinden. Er rief dazu auf, bei aller Beschäftigung mit dem Weg der Kirche den Dienst in der Gesellschaft nicht zu vernachlässigen: "Wir dürfen nicht vergessen, dass wir für die Menschen da sind." Innerkirchlich wolle man verstärkt die Frage angehen, wie Laien besser in kirchliche Prozesse eingebunden werden können.

Keine Sorge um Spaltung der katholischen Kirche

Nach Worten des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck hat das Forum in Mannheim die große Gemeinschaft des katholischen Glaubens sichtbar gemacht. Es bestehe kein Anlass, von einer sich spaltenden Kirche zu reden. Allerdings müsse man bei allen Reformen nicht nur die deutschen Belange, sondern auch die Sicht der Weltkirche einbinden.

Maria Theresia Opladen, Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, zeigte sich beeindruckt von der Offenheit der Bischöfe im Gespräch. Ihr Verband habe zwar darauf verzichtet, das Weiheamt für Frauen zu fordern, setze sich aber für Frauen im Diakonenamt und in der Gemeindeleitung ein. Die Priesterweihe sei für viele Frauen heute "kein Thema mehr", sagte Opladen.

In einer ersten Reaktion bedauerte Dirk Tänzler, Vorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), die "geringe Teilnahme" von Bischöfen am Gesprächsforum. Dass weniger als die Hälfte der Bischöfe dabei gewesen sei, zeige, dass sich noch viele von ihnen nicht die Notwendigkeit eines gemeinsamen Aufbruchs sähen, schrieb Tänzler in einer Mitteilung vom Samstag. Dennoch sei die Auftaktveranstaltung ein guter Start gewesen.

epd