Birgit Prinz: Auf der Ersatzbank gewonnen
Beim Fußball geht es nicht nur um Ergebnisse, sondern auch um Menschen. Dies gilt gerade auch für die Frauen-Fußballweltmeisterschaft in Deutschland. Welche Spielerinnen prägen das Gesicht der Mannschaft? Eine von ihnen ist Birgit Prinz, die aber bei der WM 2011 keine prägende Rolle auf dem Platz spielte. Wie sie damit umgeht, ist bemerkens- und bewundernswert.
08.07.2011
Von Ralf Peter Reimann

Bundestrainerin Silvia Neid ist es gelungen, die Mannschaft als Ganze in den Vordergrund zu stellen und erfolgreich ins Viertelfinale zu führen. Beim letzten Gruppenspiel gegen Frankreich saß jedoch die Spielführerin des deutschen Teams, Birgit Prinz, auf der Bank. Sportlich – da waren sich die Kommentatoren vor und auch nach dem Spiel einig, war es die richtige Entscheidung. Der 4:2-Erfolg gibt der Trainerin Recht – was bedeutet diese Entscheidung aber menschlich?

Der natürliche Reflex der meisten Menschen ist es, ihre Schwächen zu verbergen. Niemand wird gerne auf seine Fehler angesprochen. Dies gilt auch für Sportlerinnen und Sportler, die sich in einem Formtief befinden. Auf den Titelseiten der Sportpresse mit dem eigenen Leistungstief ständig konfrontiert zu sein, hilft sicher nicht, die Formkrise zu überwinden. Der mediale Druck war immens, ein Entkommen unmöglich. Aus der Spielführerin Birgit Prinz wurde für die Medien das Problem Birgit Prinz.

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Wie verbannt man als Trainerin die eigene Spielführerin mit unbestreitbaren Verdiensten aus der Stammformation und geht dennoch fair mit ihr um, ohne dadurch weitere Konflikte in die Mannschaft zu tragen? Eine eigentlich unlösbare Aufgabe – wenn nicht die geschasste Spielerin selbst ein Einsehen in die Situation hat und die Interessen der Mannschaft höher stellt als ihr Eigeninteresse. Dies hat Birgit Prinz getan.

Offenheit, Ehrlichkeit und seltene Größe

Auf einer Pressekonferenz am Donnerstag (Foto u.: dpa) stand sie Journalisten Rede und Antwort. Dabei zeigte sie eine Offenheit und Ehrlichkeit, die eine Größe und Souveränität jenseits des Rasens offenbarten, die schlicht Respekt verdienen. So kommentierten das auch ihre Fans auf ihrer Facebook-Seite.

Statt sich in Ausflüchte oder Entschuldigungen zu ergehen, gestand sie offen ihr Formtief ein und bestätigte die Aussage der Bundestrainerin auf der Pressekonferenz, dass sie von sich aus auf einen Einsatz im Frankreich-Spiel verzichtete.

Trotz mehrfacher kritischer Nachfragen blieb Prinz loyal gegenüber der Bundestrainerin und der Mannschaft. So wie sie in der Pressekonferenz sprach, merkte man, dies war nicht aufgesetzt. Es gab keine Spitzen gegen die Trainerin, keine Seitenhiebe gegen ihre Konkurrentinnen in der Mannschaft. Man merkte Birgit Prinz deutlich den Willen an, selbst wieder spielen zu wollen. Noch größer als ihr Leistungswille ist jedoch ihre Motivation, dass die Mannschaft gewinnt.

Eine echte Führungsspielerin

Auch wenn die Situation anders ist, so fällt einem doch der Vergleich mit dem Kapitän der Männer-Fußballnationalmannschaft ein, der aufgrund eines Formtiefs nicht mehr nominiert wurde. Hier lieferten sich jedoch der ausgemusterte Spielführer Michael Ballack und der Bundestrainer Joachim Löw eine Schlacht in der Presse und bezichtigten sich gegenseitig der Unaufrichtigkeit in der Öffentlichkeit.

Fällt Frauen im von Männern dominierten Fußball der Umgang mit eigenen Schwäche leichter? Offen gestand Prinz, die selbst Psychologie studiert, in der Pressekonferenz ein, in ihrer Situation auch psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Was würden Fans von einem männlichen Fußballprofi denken, der zugibt, die Hilfe eines Psychologen zu benötigen? Wäre er dann noch der starke Mann auf dem Platz?

Auch hier haben der Frauenfußball und Birgit Prinz neue Maßstäbe gesetzt und sind zum Vorbild auch für den Männerfußball geworden. Für Birgit Prinz gilt: Ihre Schwäche wurde so ihre Stärke. Mit ihr hat das deutsche Team eine wirkliche Führungsspielerin, ob auf der Bank oder auf dem Platz.


Ralf Peter Reimann ist Pastor und arbeitet bei evangelisch.de.