"Mit Herzen, Mund und Händen" für Luther 2017
Margot Käßmann steht wieder im Dienst der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Anderthalb Jahre nach ihrem spektakulären Rücktritt von allen kirchlichen Ämtern wird die frühere EKD-Ratsvorsitzende und langjährige Bischöfin von Hannover als Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 tätig. Unterdessen sprachen sich die Fraktionen im Deutschen Bundestag dafür aus, das Jubiläum finanziell zu unterstützen.
08.07.2011
Von Thomas Schiller

Käßmann übernimmt ihre neue Aufgabe im Frühjahr 2012. Bis dahin lehrt die Theologin noch als Gastprofessorin an der Ruhr-Universität Bochum. "Wir kommen wieder zusammen, die Kirche, die EKD und Margot Käßmann", sagte der Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider am Freitag in Berlin: "Sie ist eine Kirchenfrau, und sie will ihre Fähigkeiten und Gaben in den Dienst der Kirche stellen." Käßmann hatte im Februar 2010 nach einer Alkoholfahrt am Steuer ihres Dienstwagens alle ihre kirchlichen Ämter niedergelegt.

Kontakte knüpfen, Sponsoren werben

Als Botschafterin für das Reformationsjubiläum soll die 53-Jährige für das wichtigste Ereignis der Protestanten in den kommenden Jahren werben. Sie soll Kontakte knüpfen, Vorträge und Predigten halten, Unterstützer und Sponsoren werben. Schneider hob hervor, dass die Theologin durch ihre langjährige Tätigkeit als Bischöfin, im Weltkirchenrat und beim Deutschen Evangelischen Kirchentag über hervorragende Kontakte im In- und Ausland verfüge. Er hoffe, dass Käßmann den Vorbereitungen auf das Jubiläum weitere Kraft und weiteren Schwung verleihen möge.

2017 jährt sich zum 500. Mal der legendäre Thesenanschlag von Martin Luther (1483-1546) an der Schlosskirche in Wittenberg. Mit der Reformation verbinde sich nicht nur eine imponierende Geschichte, sagte Käßmann. Sie berge auch großes Potenzial für Gegenwart und Zukunft. Die Erkenntnis Luthers, dass der Mensch nicht durch ein gutes und perfektes Leben zur Erlösung komme, sondern allein durch Gottvertrauen, sei "in unserer Leistungsgesellschaft eine beglückende, befreiende, ja geradezu revolutionäre Botschaft". Käßmann sagte, sie wolle "mit Herzen, Mund und Händen" dazu beitragen, dass das Reformationsjubiläum und die bereits begonnene Lutherdekade in Kirche und Gesellschaft sichtbar werden.

Die neue Funktionsbezeichnung Botschafter gebe es in der EKD erstmalig, erläuterte Schneider. Bei der Berufung habe es keine weiteren Kandidaten für die Stelle gegeben. Befürchtungen, dass es zu einem Personenkult kommen könnte, wies der Ratsvorsitzende zurück: "Frau Käßmann soll sich nicht verbiegen und verstecken, sie soll authentisch sein, aber sie ist in einen Dienst gestellt." Als EKD-Vertreter in Wittenberg war bisher der Prälat Stephan Dorgerloh sowohl für die öffentliche Repräsentation als auch für die Leitung der Evangelischen Wittenberg-Stiftung zuständig. Käßmann werde nicht die Nachfolgerin Dorgerlohs, der im April Kultusminister von Sachsen-Anhalt wurde, betonte Kirchenamtspräsident Hans Ulrich Anke. Für die Geschäftsführung der Stiftung solle bis zum Herbst eine Nachfolge gefunden werden.

Nicht direkt in Gremien eingebunden

In die Gremien der verschiedenen kirchlichen und staatlichen Kuratorien und Stiftungen, die das Reformationsjubiläum vorbereiten, soll Käßmann nicht direkt eingebunden werden, sagte Schneider. Sie ist direkt dem Rat der EKD unterstellt, der sie vor einer Woche berufen hat. Anfängliche Irritationen in der Mitteldeutschen Kirche, die von Bischöfin Ilse Junkermann geleitet wird, seien ausgeräumt. Die Landeskirche mit Luthers Lebensorten Eisleben, Erfurt, Wittenberg und Eisenach werde konstruktiv mit Käßmann zusammenarbeiten.

Käßmann kündigte an, sie werde auf die Hälfte ihres Bischöfinnengehalts, auf das sie nach mehr als zehn Dienstjahren in Hannover weiterhin Anspruch hat, verzichten, bis sich abzeichne, welchen Umfang ihre neue Tätigkeit annehme. Zurzeit kommt die Universität Bochum für ihr Gehalt auf. Die EKD wird ihr einen Mitarbeiter und ein Büro in Berlin zur Verfügung stellen, wo Käßmann seit einigen Monaten bereits lebt.

Mit der langjährigen Einbindung Käßmanns in die Arbeit der EKD besteht nun Klarheit über ihre Zukunft. "Dass ich weiter berufstätig bin, habe ich nie ausgeschlossen", sagte die 53-jährige. Der Popularität der medienaffinen Theologin hatte der Verlust der Ämter nicht geschadet. Sie wurde in Politik und Medien als Vorbild für Konsequenz genannt. Spekulationen über einen Wechsel in die Politik - zuletzt wurde sie als SPD-Kandidatin für das Oberbürgermeister-Amt in Frankfurt am Main gehandelt - hat sie auch am Freitag wieder zurückgewiesen: "Ich bin eine Frau der Kirche."

Bundestag will "Luther 2017" fördern

Nach dem Willen der Bundestagsfraktionen mit Ausnahme der Linken sollen Lutherdekade und Reformationsgedenken zu einem "Jubiläum von Weltrang mit europäischer und internationaler Außenwirkung" werden. In einem Antrag von Union, SPD, FDP und Grünen wird die Bundesregierung aufgerufen, sich an der konzeptionellen Ausgestaltung aktiv zu beteiligen. Die historischen Orte der Reformation müssten in die Denkmalschutz-Förderprogramme einbezogen werden, zudem solle die Wittenberger Geschäftsstelle "Luther 2017" personell und finanziell ausreichend ausgestattet werden.

In dem vom Donnerstag datierenden Antrag rufen die Fraktionen ferner das Auswärtige Amt auf, das Reformationsjubiläum etwa durch eine Wanderausstellung vorzustellen. Auch die Goethe-Institute und die Deutsche Welle sollten sich an Aktionen beteiligen. Auf europäischer Ebene solle sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Lutherdekade und das Reformationsjubiläum in den Programmen der EU-Kommission stärker verankert werden. Derzeit sind im Kulturhaushalt für die Vorbereitung des Reformationsjubiläums seit dem Jahr 2011 jährlich fünf Millionen Euro eingeplant.

Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) kündigte an, die lutherischen Beiträge zum Reformationsjubiläum sollten sich durch "Gemeindenähe und ökumenische Offenheit" auszeichnen. Bei einer Sitzung der Kirchenleitung der VELKD, in der acht lutherische Landeskirchen zusammengeschlossen sind, wurden zugleich die in Wittenberg stattfindenen Seminare des Lutherischen Weltbundes (LWB) gewürdigt. Die Kirchenleitung gab Projekte in Auftrag, um "zentrale Aussagen lutherischer Theologie neu ins Bewusstsein heben und aktualisieren", wie es hieß.

Die Gremien zum Reformationsjubiläum 2017

Das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 wird von einer Vielzahl von Gremien und Stiftungen vorbereitet. Dabei wirken die Stadt Wittenberg und die evangelische Kirche eng zusammen. An der 2008 ausgerufenen Lutherdekade sowie der Vorbereitung des 500. Jahrestages des legendären Thesenanschlages von Martin Luther (1483-1546) an die Schlosskirche zu Wittenberg sind im Einzelnen beteiligt:

Das Kuratorium Luther 2017: Das Kuratorium ist die wichtigste Institution zur Vorbereitung und Gestaltung des Reformationsjubiläums. In dem Gremium, das sich zweimal im Jahr trifft, sind unter anderen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) sowie die Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Rheinland-Pfalz vertreten. Dazu gehören zudem der sächsische Bischof Jochen Bohl, die mitteldeutsche Bischöfin Ilse Junkermann und der Vorsitzende der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Johannes Friedrich. Den Vorsitz hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider. Die Empfehlungen des Kuratoriums werden von einem Lenkungsausschuss umgesetzt. Beraten wird das Kuratorium von einem wissenschaftlichen Beirat, der von dem Kieler Kirchengeschichtler Johannes Schilling geleitet wird.

Evangelische Wittenbergstiftung: Die von der EKD zum 1. Januar 2009 eingerichtete Stiftung hat ihren Sitz in der Lutherstadt Wittenberg. Die kirchliche Stiftung will die Geschichte und Bedeutung der Reformation in der Lutherstadt Wittenberg ins Bewusstsein zu rücken. Die Wittenbergstiftung ging 2009 mit einem Vermögen in Höhe von 1,3 Millionen Euro an den Start. Unter ihrem Dach arbeitet die kirchliche Geschäftstelle "Luther 2017 - 500 Jahre Reformation". Geschäftsführer der Stiftung sowie Leiter der Geschäftsstelle war bislang Prälat Stephan Dorgerloh. Seit dem Wechsel des Theologen als Kultusminister in die neue Landesregierung von Sachsen-Anhalt sind beide Posten vakant.

Stiftung Luthergedenkstätten: Zu der 1997 gegründeten staatlichen Stiftung gehören das Lutherhaus und das Melanchthonhaus in Wittenberg sowie Martin Luthers Geburtshaus und das Museum "Luthers Sterbehaus" in Eisleben. Alle vier Museen sind seit 1996 UNESCO-Weltkulturerbe. Die Gebäude, Sammlungen und Ausstellungen werden von der Stiftung gepflegt und weiterentwickelt. Zu der Stiftung gehört zudem die 2007 eingerichtete Geschäftsstelle "Luther 2017". Die staatliches Einrichtung ist zusammen mit der gleichnamigen kirchlichen Geschäftstelle für die Koordinierung und Vernetzung der Aktivitäten zum Lutherjubiläum zuständig.

Internationale Martin-Luther-Stiftung: Die Stiftung mit Sitz im thüringischen Eisenach wurde im November 2007 eingerichtet. Ziel ist die Förderung von Projekten, die der Auseinandersetzung mit Verantwortungsträgern aus Wirtschaft, Politik und Kirche über ethische Werte und geistige Orientierung dienen. Vorstandschef ist der Politikwissenschaftler und Kommunikationschef der Metro Group, Michael Inacker. Geschäftsführender Vorstand ist der Lutherbeauftragte der Thüringer Landesregierung, Thomas Seidel. Weitere Mitglieder der Stiftungsgremien sind unter anderen die evangelischen Bischöfe Bohl, Junkermann und Friedrich. Vertreten sind zudem der ehemalige US-amerikanische Botschafter John Kornblum, MDR-Hörfunkdirektor Johann Michael Möller, die Grünen-Politikerin und Präses der EKD-Synode, Katrin Göring-Eckardt, sowie Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU). Unter anderem vergibt die Stiftung jährlich einen undotieren Preis, die sogenannte Lutherrose.

epd/evangelisch.de