Nikolaus Schneider, sagte in Düsseldorf, er halte die Freigabe der Präimplantationsdiagnostik (PID) mit dem am Donnerstag verabschiedeten Gesetz für "zu weit gehend". Der rheinische Präses sagte, er begrüße die Rechtssicherheit nach der Entscheidung des Bundestages. Persönlich jedoch hätte er eine Zulassung der PID nur für den Ausnahmefall einer mit großer Wahrscheinlichkeit drohenden Tot- oder Fehlgeburt vorgezogen. Schneider verwies auf eine Stellungnahme des Rates der EKD vom Februar, mit der dieser ein Verbot dieses Verfahrens unterstützt hatte. Uneins war das Gremium indes, ob in eng begrenzten Ausnahmefällen die PID zulässig sein sollte.
Die katholische Kirche hatte sich mehrfach gegen eine Freigabe der PID ausgesprochen. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, kritisierte die Selektion von Embryonen. Zollitsch sagte nach der Entscheidung, so sehr die Kirche die Nöte von Eltern verstehe, "die Selektion von menschlichen Embryonen verstößt gegen das Achtungsgebot der Menschenwürde". Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, nannte den vom Bundestag eingeschlagenen Weg "falsch und gefährlich". Der Trierer Bischof Stephan Ackermann erklärte, der Schutz des Lebens sei "jetzt noch antastbarer geworden".
Muslime sind einverstanden, Frauenverbände gar nicht
Zustimmung kam dagegen vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Mit dem Beschluss sei Klarheit und vor allem Rechtssicherheit geschaffen worden, unterstrich der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek in Köln. "Der Islam ist offen für wissenschaftliche Erneuerungen und eine Religion der Erleichterung", sagte die ZMD-Frauenbeauftragte und Ärztin Houaida Taraji. Mit dem neuen Gesetz könne kinderlosen Paaren, die oft lange Leidenswege gegangen seien, nach einer ausführlichen ethischen Beratung auf legalem Wege geholfen werden, Erbkrankheiten zu untersuchen und zu erkennen.
Kirchliche Frauenverbände kritisierten den Bundestagsbeschluss ebenfalls scharf. Es sei zu befürchten, dass dadurch die ohnehin schon problematische Situation behinderter Menschen in Deutschland mittel- und langfristig noch schwieriger werde, erklärten die drei größten Verbände evangelischer und katholischer Frauen in Deutschland am Donnerstag in Hannover und Düsseldorf. Sie vertreten nach eigenen Angaben zusammen mehr als 3,8 Millionen Mitglieder.
"Wir sehen bei einer Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) die Gefahr, dass Menschen mit Behinderungen noch mehr an den Rand gedrängt werden und dass der Druck auf Eltern steigt, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen", sagte die Vorsitzende des Dachverbandes Evangelische Frauen in Deutschland, Brunhilde Raiser. Für die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands betonte die Bundesvorsitzende Maria Theresia Opladen, Embryonen würden durch die PID eindeutig einer Qualitätskontrolle unterzogen: "Damit wird zwischen lebenswertem und vermeintlich lebensunwertem Leben unterschieden." Der Katholische Deutsche Frauenbund schloss sich der Kritik an.